Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze wegen der Mitteilung von Krebsfällen zum Aufbau einer Tumorstatistik
Leitsatz (redaktionell)
Teilt eine onkologische Gemeinschaftspraxis mit Einverständnis ihrer Tumorpatienten die Tumorfälle der Krankenkasse zum Aufbau einer Tumorstatistik mit, sind die aus der Zuarbeit zur Datenbank erzielten Umsätze nicht gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Normenkette
UStG 2005 § 4 Nr. 14; 6. EG-RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine onkologische Gemeinschaftspraxis der Eheleute A.. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Beklagte unter anderem fest, dass Umsätze, die aus Zuarbeiten zu einer Tumordatenbank erzielt wurden, nach § 14 Nr. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu Unrecht als steuerfreie Umsätze behandelt wurden und erhöhte dementsprechend die Netto-Umsätze im Streitjahr 2004 um 11.633,83 EUR und im Streitjahr 2005 um 11.146,46 EUR. Hierdurch wurde die so genannte Kleinunternehmer-Grenze nach § 19 UStG überschritten. Auf Textziffer 9 des Prüfungsberichts vom 09.12.2009 wird Bezug genommen. Die nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheide wurden unter dem Datum 18.10.2011 erneut bekannt gegeben. Hiergegen hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten Sprungklage erhoben.
Die Klägerin macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH) geltend, die in Rede stehenden Leistungen seien als ärztliche Leistungen umsatzsteuerfrei. Sie sei als onkologische Praxis verpflichtet gewesen, nach Zustimmung des Patienten eine schriftliche Zusammenfassung der im Rahmen der Diagnostik, Therapie und Nachsorge erhobenen Befunde in der Form eines standardisierten Arztbriefes bei allen Tumorpatienten an die Krankenkassen für das so genannte Tumorregister zu übermitteln. Es handele sich um eine reine Dokumentation der ärztlichen Behandlungsergebnisse, ohne dass eine Wertung des Arztes abgegeben werde. Im Bereich B. hätten sich die Krankenkassen darauf verständigt, dass in den Streitjahren die C. Klinik GmbH als zentrale Anlaufstelle diese Meldungen entgegen nehme. Je Meldung erhalte sie – die Klägerin – eine fest vorgegebene und nicht verhandelbare Fallpauschale, die viermal jährlich zur Auszahlung gelangt sei. Rechnungen seien nicht erteilt worden, es habe lediglich Zahlungsavise durch die C. Klinik GmbH gegeben. Beispielhaft werde als Anlage 15 ein aktueller Beleg übermittelt, der identisch mit den streitgegenständlichen Belegen sei. Zwar sei das Gesetz über eine generelle Meldepflicht für Krebserkrankungen in Brandenburg erst am 20.04.2006 verabschiedet worden; das Land Brandenburg habe aber bereits mit Datum vom 14.05.1998 dem Gesetz über den Staatsvertrag vom 20./24.11.1997 über die Errichtung eines gemeinsamen Krebsregisters der neuen Bundesländer zugestimmt und seitdem die Meldepflicht entsprechend praktiziert. Im Endeffekt diene die Datenerhebung der Verbesserung der Bekämpfung von Krebserkrankungen im Bereich der Vorsorge, der Behandlung und der Nachsorge und habe daher den nach der Rechtsprechung erforderlichen therapeutischen Charakter.
Im Übrigen gehe auch die Kassenärztliche Vereinigung der Länder von der Umsatzsteuerfreiheit aus, wie sich aus der Anlage 16 ergebe.
Schließlich seien die Bescheide vom 18.10.2011 erneut nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, da sie sich gegen die Praxisgemeinschaft A. richteten, was rechtlich nicht gleichzusetzen sei mit einer Gemeinschaftspraxis.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 18.10.2011 die Umsatzsteuer 2004 um 1.604,67 EUR und die Umsatzsteuer 2005 um 1.537,44 EUR zu vermindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) seien Leistungen nur dann steuerfrei, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienten. Der EuGH habe mit Urteil vom 14.09.2000 (C-384/98) jedoch einschränkend entschieden, dass nicht sämtliche Leistungen, die im Rahmen der Ausübung ärztlicher und arztähnlicher Berufe erbracht würden, von der Umsatzsteuer befreit seien, sondern nur die Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin. Ärztliche Maßnahmen, die einem anderen Zweck als der Diagnose, der Behandlung und der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienten, fielen nicht unter den Begriff der Heilbehandlung. Bei ihnen stehe kein therapeutisches Ziel im Vordergrund.
Die Zuarbeiten der Klägerin zur Erstellung von Tumordokumentationen, der Teilnahme an statistischen Erhebungen sowie Gutachten über Todesursachen stellten weder eine medizinische Betreuung dar noch hätten sie primär ein therapeutisches Ziel.
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