Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GbR-Gesellschafters: Rückwirkende Beseitigung einer Rechtsscheinhaftung
Leitsatz (redaktionell)
Die Beseitigung des Rechtsscheins der Gesellschaftereigenschaft gegenüber der Finanzverwaltung ist dann für Zeiträume in der Vergangenheit beachtlich, wenn und soweit das Finanzamt verfahrensrechtlich noch in der Lage ist, in angemessener Zeit die zutreffenden rechtlichen Folgerungen aus der neu gewonnenen Erkenntnis zu ziehen.
Normenkette
AO § 69 Abs. 1; BGB §§ 421-427; HGB § 128
Nachgehend
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht als Mitgesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen Steuerschulden der Gesellschaft als Haftende in Anspruch nehmen durfte bzw., ob er dies aus dem Grund eines von der Klägerin hinsichtlich ihrer Gesellschafterstellung erzeugten Rechtsscheins durfte.
Am 14. Juni 1991 ging beim Beklagten die Mitteilung über die Gewerbeanmeldung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts -GbR- Hxxxx x xxxx gegenüber dem Bezirksamt Kxxxxxxxx ein. Diese GbR sollte sich aus der Klägerin und der Beigeladenen des Klageverfahrens 1 K 1xxx/04 (wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1991), Frau xxxxxx Hxxxx, zusammensetzen. Der zweimaligen Aufforderung des Beklagten an die Klägerin, eine steuerliche Anmeldung einzureichen, folgte diese nicht.
Nach der im Oktober 1993 erfolgten Mitteilung über die zwischenzeitlich erfolgte Gewerbeabmeldung schrieb der Beklagte im Juni 1994 an die Klägerin, dass sie nach den Mitteilungen des Bezirksamts in der Zeit vom 28. Januar 1991 bis zum 31. Januar 1992 an der GbR Hxxxx x xxxx beteiligt gewesen sei. Gleichzeitig wurde sie gebeten, die noch ausstehenden steuerlichen Erklärungen für 1991 einzureichen. Auch dieser Aufforderung kam die Klägerin nicht nach.
Am 13. September 1994 erließ der Beklagte einen Bescheid über Umsatzsteuer für 1991 gegenüber der „GbR Hxxxx x xxxx“ und gab ihn in jeweils einer Ausfertigung der Klägerin wie auch ihrer – angeblichen – Mitgesellschafterin Hxxxx bekannt. Dabei wurden die Besteuerungsgrundlagen mangels Abgabe einer Steuererklärung geschätzt, mit 71 600,00 DM an steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch und einer hieraufentfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 14 %, entsprechend 10 024,00 DM. Hiervon zog der Beklagte 200,00 DM an Vorsteuerbeträgen ab sowie einen Kürzungsbetrag nach § 13 Berlinförderungsgesetz -BerlinFG- in Höhe von 720,00 DM und setzte somit eine Umsatzsteuer von 9 104,00 DM fest.
Am 15. September 1994 erließ er einen Bescheid auch für 1992 mit einer Steuerfestsetzung von 1 166,00 DM, auch insoweit nach geschätzten Besteuerungsgrundlagen.
Einsprüche wurden gegen diese Steuerbescheide nicht eingelegt.
Für die GbR wurden im streitbefangenen Zeitraum 1991/Anfang 1992 auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Für 1991 wie auch 1992 setzte der Beklagte deshalb Umsatzsteuervorauszahlungen aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest, quartalsweise für 1991 und monatsweise für 1992, jedoch nach dem Inhalt der erst im Verhandlungstermin vom 14. Juli 2005 vorgelegten Umsatzsteuer-Voranmeldungsakte erstmals für den Voranmeldungszeitraum August 1992 gegenüber der GbR H (durch Bescheid vom 16. November 1992), während die Bescheide für vorangegangene Zeiträume eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts „Hxxxx, Axxxxx u. Oxxxxxx, Axxxx“ betrafen.
Mit einem Schreiben vom 22. November 1994 kündigte der Beklagte an, die Klägerin wegen der rückständigen Steuerschulden und Nebenleistungen als Gesellschafterin der GbR gemäß §§ 427, 421 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- in Haftung nehmen zu wollen und gab ihr Gelegenheit, sich hierzu binnen drei Wochen zu äußern.
Daraufhin erwiderte die Klägerin mit einem Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten, dass sie von Frau Hxxxx lediglich eine Vergütung für die Hingabe ihres Meistertitels erhalten habe, sodass es sich (bei dem Steuerpflichtigen) nicht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehandelt habe, sondern um ein Einzelunternehmen, weshalb sie nicht zur Haftung herangezogen werden könne.
Der Beklagte folgte dem nicht und erließ am 8. Juni 1995 einen Haftungsbescheid gegenüber der Klägerin über insgesamt 14 787,81 DM betreffend die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, die im Einzelnen in einer Anlage aufgeführt waren, die Bestandteil des Haftungsbescheides war (s. Bl. 60 ff., 62 d. Umsatzsteuerakten) und auf die Bezug genommen wird.
Zur Begründung gab der Beklagte an, dass sehr wohl von einer GbR auszugehen sei, da ohne die Beteiligung der Klägerin unter Berücksichtigung der Handwerksordnung das Friseurgeschäft gar nicht zu betreiben gewesen wäre. Die weitere Gesamtschuldnerin Hxxxx werde in Anspruch genommen, sobald deren Aufenthaltsort ermittelt worden sei.
Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass ...