Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen wegen Rückgängigmachung eines Vorsteuererstattungsanpruchs. Erlass von Nachzahlungszinsen 1996, 1997, 1998 und 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Nachzahlungszinsen, die in Zusammenhang mit einer wegen fälschlicherweise ausgewiesener Umsatzsteuer zu Unrecht erlangten Vorsteuererstattung stehen, können nicht wegen sachlicher Unbilligkeit erlassen werden, weil nach der Saldierung des erlangten Liquiditätsvorteils mit dem auf Grund rechtsgrundloser Zahlung der ausgewiesenen Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller entstandenen Liquiditätsnachteil tatsächlich kein Vorteil besteht.
2. Die ebenfalls Nachzahlungszinsen rechtfertigenden Zinsnachteile des FA wegen der rechtswidrig erstatteten Vorsteuer werden nicht in Folge der Abführung der Umsatzsteuer durch den Rechnungsaussteller ausgeglichen.
Normenkette
AO 1977 §§ 227, 163, 233a, 5; UStG § 14 Abs. 2 S. 2, § 17 Abs. 1; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1996 – 1999.
Zwischen der W Inc. und G Co. bestand ein Vertrag über den Transport von Pkw von R. nach Brunswick und Halifax. Die Verschiffung sollte über Antwerpen zu einem Preis von 245 US $ pro Pkw erfolgen.
In einer weiteren Vereinbarung verpflichtete sich GM, den Transport der Fahrzeuge von Rüsselsheim nach Antwerpen zu einem Preis von 85 US $ von W Inc. zu übernehmen. Die Zahlungen an G Co. erfolgten durch die Klägerin als deutsche Schwestergesellschaft von W Inc.. Für G Co. stellte die A AG der Klägerin die Transporte mit 85 US $ mit Umsatzsteuer (USt) in Rechnung. Die Klägerin beglich die Rechnungen und machte die ausgewiesenen USt-Beträge als Vorsteuer geltend und bekam sie erstattet.
Dieser Sachverhalt wurde im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt. Mit Änderungsbescheiden vom 07.06.2002 wurden die in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge zurückgefordert und Zinsen in Höhe von 21.312 EUR für 1996, 64.068 EUR für 1997, 43.667,00 für 1998, 5.649 EUR für 1999 festgesetzt. Mit Änderungsbescheiden vom 30.10.2002 wurden die Beträge auf 21.339 EUR für 1996, 64.121 EUR für 1997, 43.698 EUR für 1998 und 5.677 EUR für 1999 geändert. Nach Auffassung des Finanzamtes waren die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht erfüllt, da die Klägerin nicht aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis berechtigt war, so dass die in Rechnung gestellten Leistungen nicht an sie ausgeführt worden waren. Von der A AG wurden im Jahre 2002 berichtigte Rechnungen für die Jahre 1996 bis 1999 ohne USt erstellt. Die von der Klägerin an die A AG gezahlten Umsatzsteuerbeträge wurden ihr von der A AG zurückgezahlt.
Mit Schreiben vom 08.07.2002 beantragte die Klägerin den Erlass der Zinsen zur USt. Sie begründete dies damit, dass die Festsetzung von Zinsen unbillig sei (§ 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO)), da sie keinen Liquiditätsvorteil erlangt habe, der abgeschöpft werden müsse. Der Zweck des § 233a AO bestehe nach der Gesetzesbegründung ausschließlich darin, Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen abzuschöpfen. Nach dem BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 72/00, HFR 2002, 381; BFH/NV 2002, 545 seien bei der Prüfung, ob ein den Liquiditätsvorteil kompensierender Liquiditätsnachteil entstanden sei, Umsatzsteuerzahlungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt seien, zu berücksichtigen. Die dem der Klägerin gewährten Vorsteuerabzug entsprechenden Beträge seien bereits zuvor von ihr an die A AG zu Unrecht als Umsatzsteuer entrichtet worden. Die Klägerin sei weder aus vertraglichen noch gesetzlichen Gründen verpflichtet gewesen, an die A AG Umsatzsteuer zu entrichten.
Mit Bescheid vom 31.07.2002 lehnte der Beklagte den Erlassantrag ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht vorlägen. Die geltend gemachten Umstände widersprächen nicht den der Verzinsungsregelung des § 233a AO zu Grunde liegenden Wertungen. Mit der allgemeinen Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen aus welchen Gründen auch immer zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig würden. Es sollten nach dem BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446 auch Zinsnachteile ausgeglichen werden, die auf Seiten des Steuergläubigers objektiv entstünden. Ein solcher Zinsnachteil sei dem Steuergläubiger vorliegend objektiv entstanden.
Am 05.08.2002 erhob die Klägerin Einspruch und berief sich zur Begründung auf ihr Schreiben vom 05.08.2000. Ergänzend führte sie aus, dass entgegen dem BFH-Urteil in BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446 der Zweck des § 233a AO ausschließlich d...