Entscheidungsstichwort (Thema)
Präferenzgewährung für aus Estland eingeführte Butter; Bindung des FG an die Rechtmäßigkeitsprüfung von Ursprungszeugnissen durch Behörden des Ausfuhrstaats; Beginn der 3-Jahres-Frist für die Aufbewahrung zweckdienlicher Unterlagen zur Führung des Ursprungsnachweises von Butter; Kein Nachweis der Ursprungseigenschaft von Butter anhand von Veterinärbescheinigungen; Absehen von der Erhebung; Gestellungspflicht von im Ausland ansässigen Zeugen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Behörden eines Einfuhrstaates sind nicht verpflichtet, die Richtigkeit des Ergebnisses der Prüfung der Ursprungszeugnisse durch den Ausfuhrstaat zu überprüfen und noch einmal selbst zu ermitteln, ob die erteilte Auskunft des Ausfuhrstaates zutrifft. Das gilt ebenso für das Gericht, das lediglich die Rechtmäßigkeit des Handelns der Behörde zu überprüfen hat.
2. Die in Art. 28 Abs. 1 des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen über Freihandel und Handelsfragen zwischen der EG und der Estnischen Republik genannte Frist von drei Jahren für die Aufbewahrung der zum Nachweis der Ursprungseigenschaft (hier: von Butter) zweckdienlichen Unterlagen durch den Ausführer beginnt mit Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigung.
3. Bloße veterinär-medizinische Bescheinigungen, die dem Tierseuchengesetz dienen, vermögen nicht, die Ursprungseigenschaft von angeblich aus Estland eingeführter Butter zu belegen.
4. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit sind nicht verletzt, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer unter bestimmten Umständen zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, wegen der der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war.
5. Die Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK fasst abschließend die Gesichtspunkte zusammen, die zu einem Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben führen können.
6. Ein im Ausland ansässiger Zeuge muss nicht vom Amts wegen geladen, sondern zur Sitzung des FG gestellt werden.
Normenkette
Protokoll Nr. 3 zum Abkommen über Freihandel und Handelsfragen zwischen der EG und der Estnischen Republik Art. 32, 28 Abs. 1; ZK Art. 220 Abs. 2 Buchst. b, Art. 221 Abs. 1; AO 1977 § 90 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 4; GG Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
Gründe
Die Beteiligten streiten über einen Steueränderungsbescheid, der erging, weil zwischen den Beteiligten streitig wurde, ob die ursprünglich gewährte Präferenz zu Recht gewährt worden war. Während der zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen Klage erging die Einspruchsentscheidung. Insgesamt wurden 46 weitgehend ähnliche Fälle beim Finanzgericht rechtshängig gemacht.
Die Klägerin importierte 1998 Butter aus der Republik Estland, die bereits 1997 von Estland in ein deutsches Zollager gebracht worden war. Zunächst wurde die Ware aufgrund einer EUR.1-Bescheinigung vom August 1997 zum Präferenzzollsatz abgefertigt. Später tauchten Zweifel auf, ob es sich tatsächlich um estnische Butter gehandelt hatte. Der Beklagte erließ daraufhin den streitigen Steueränderungsbescheid, den die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli 1999 anfocht. Der Beklagte stützte sich zunächst bei seinem Steueränderungsbescheid auf ein Gutachten von Dr. A. Roßmann von der Technischen Universität München. In diesem Gutachten kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass jedenfalls Teile der gezogenen Proben nicht aus Estland stammen könnten. Das Ergebnis dieses Gutachtens sowie die Untersuchungsmethode als solche sind zwischen den Beteiligten umstritten. Im Weiteren wurde die Europäische Kommission, Generalsekretariat OLAF eingeschaltet, weil der Verdacht eines sogenannten Butterkarussells bestand. Nachdem die Klägerin zunächst Untätigkeitsklage erhoben hatte, widerrief die estnische Zollverwaltung insgesamt 75 Präferenznachweise (Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1), darunter auch die Warenverkehrsbescheinigung für den vorliegenden Fall. Ein Schreiben der estnischen Zollverwaltung in englischer Sprache vom 13. Juni 2000 stellte klar, dass die Firma X…, von der die Butter in Estland stammt, die erforderlichen Dokumente, die sie nach den Erfordernissen des Protokolls Nr. 3 zwischen der Europäischen Union und der Estnischen Republik aufzubewahren gehabt hätte, bei einer Prüfung vom 15.03. bis 19.05.2000 nicht habe vorweisen können. Die estnische Zollverwaltung annullierte die entsprechenden Warenverkehrsbescheinigungen.
In der Folge hob die estnische Zollverwaltung die formale Aufhebung der Warenverkehrsbescheinigung wieder auf. Es wird insoweit auf eine Übersetzung aus dem Estnischen verwiesen, die die Klägerseite eingereicht hat. In dieser Aufhebungsentscheidung stellt die estnische Zollverwaltung darauf ab, dass die Aufhebung irrtümlich als Verwaltungsakt behandelt worden ist, auch seien die Zollbehörden des ausländischen Staates dafür zuständig eine Entscheidung über die Warenverkeh...