Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten entnehmbarer Streitwert i. S. d. § 52 Abs. 5 GKG als für die vorläufige Verfahrensgebühr maßgeblicher Streitwert bei Anfechtung geänderter Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen mit Auswirkungen auf den vortragsfähigen Verlust bzw. Gewerbeverlust
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird mit der Klage die Aufhebung geänderter Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide beantragt, sind aus der der Klageschrift beigefügten Einspruchsentscheidung sowie Kopien der Bescheide sowohl die ursprünglichen Festsetzungen als auch die Höhe der geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbeträge ersichtlich und kann das Gericht aus den vorliegenden Angaben die beantragten Steuerminderungen selbst berechnen, so sind nach § 52 Abs. 5 GKG sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer die streitigen Steuererhöhungsbeträge als Streitwert für die vorläufige Verfahrensgebühr anzusetzen. Hinsichtlich der Gewerbesteuer ergibt sich die Mehrsteuer ungeachtet dessen „unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten” i. S. d. § 52 Abs. 5 GKG, dass das FG die zur Berechnung der streitigen Gewerbesteuerbeträge erforderlichen Gewerbesteuerhebesätze eigens ermitteln muss. Soweit für einzelne Streitjahre ein Ansatz eines höheren oder jedenfalls nicht eines niedrigeren zu versteuernden Einkommens beantragt wird, ist insoweit im Rahmen der Bestimmung des Gesamtstreitwerts nach §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 5 GKG kein gesonderter Streitwert anzusetzen. Dass in den Änderungsbescheiden der zuvor bestehende Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist, ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
2. Soweit die streitigen Gewinnerhöhungen Auswirkungen auf einen vortragsfähigen Verlustvortrag bzw. Gewerbeverlust haben, sind auch die steuerlichen Auswirkungen dieses Verlusts in den Folgejahren für den nach § 52 Abs. 5 GKG maßgeblichen Streitwert zu berücksichtigen, wenn sich die Steuerauswirkung rein durch Rechnung im Rahmen der Gesetzesanwendung und Kombination der in den Gerichtsakten enthaltenen Informationen entnehmen lässt. Sowohl beim Gewerbesteuermessbetragsbescheid als auch bei dem Grundlagenbescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. zur Einkommensteuer handelt es sich um auf „eine bezifferte Geldleistung bezogene Verwaltungsakte” i.S. des § 52 Abs. 3 S. 1 GKG (entgegen BFH-Rspr. im Beschluss v. 31.7.2014, IV E 2/14).
3. Dass der nach den Grundsätzen zu 1. ermittelte Streitwert ggf. noch um offensichtliche Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder Verwaltungsakte zu erhöhen ist und sich diese künftigen Auswirkungen noch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten entnehmen lassen, führt nicht dazu, dass für die vorläufige Verfahrensgebühr nicht der nach den Grundsätzen unter 1. ermittelte Streitwert, sondern nach § 52 Abs. 5 GKG nur der Mindeststreitwert zugrunde zu legen wäre.
4. Zu den „gerichtlichen Verfahrensakten „ i. S. des § 52 Abs. 5 GKG zählen auch der klägerische Antrag sowie mit der Klageschrift eingereichte Kopien der Einspruchsentscheidung sowie von Bescheiden der Behörde. Es sind auch solche Bestandteile der gerichtlichen Verfahrensakte zu berücksichtigen, auf deren Einreichung ohne Verstoß gegen Soll- oder Ordnungsvorschriften verzichtet werden könnte, insbesondere solche, die nicht dasjenige Verfahren betreffen, in dem der (vorläufige) Kostenansatz erfolgt und in dem sie vorgelegt worden sind.
5. Dass die Ermittlung des tatsächlichen Streitwerts für Zwecke der vorläufigen Verfahrensgebühr nach § 52 Abs. 5 GKG ggf. aufwendige Wertermittlungen und -berechnungen des FG erfordert, steht der Anwendung des § 52 Abs. 5 GKG nicht entgegen.
6. Gegenläufige etwaige Auswirkungen in anderen Verwaltungsakten i. S. dortiger Steuersteigerungen im Falle des Erfolgs der Klage sind nicht streitwertmindernd zu berücksichtigen (Umkehrschluss aus § 52 Abs. 3 S. 2 GKG).
7. Der sog. Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro nach § 52 Abs. 2 GKG kann dem vorläufigen Kostenansatz nach § 52 Abs. 5 GKG nicht zugrunde gelegt werden, weil § 52 Abs. 5 GKG nicht auf § 52 Abs. 2 GKG verweist.
8. Für die Bestimmung des sich unmittelbar aus den Akten ergebenden Streitwerts i. S. d. § 52 Abs. 5 GKG ist ggf. auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Erinnerung bzw. den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung abzustellen.
Normenkette
GKG § 52 Abs. 1-2, 3 Sätze 1-2, Abs. 5, § 63 Abs. 1 S. 3, § 39 Abs. 1; FGO § 65 Abs. 1 Sätze 2, 4; KStG § 8 Abs. 1; EStG § 10d Abs. 4 S. 1; AO § 164 Abs. 1, 4; GewStG §§ 10a, 35b
Tenor
Unter Änderung des Kostenansatzes vom … August 2015 im Verfahren 3 K …/15 werden die Kosten vorläufig i.S.d. § 52 Abs. 5 GKG auf 1.068,– EUR festgesetzt.
Die Erinnerung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Auslagen des Gerichts im vorliegenden Verfahren haben die Erinnerungsführerin zu 65 1/3 v.H. und im Übrigen der Eri...