Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht einer GbR, an der neben Rechtsanwälten auch eine Steuerberatungs-GmbH beteiligt ist, trotz Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG. Gewerbesteuermessbetrag 1995 bis 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Es erscheint zweifelhaft, ob sich Kapitalgesellschaften von natürlichen Personen und Personengesellschaften so wesentlich unterscheiden, dass ihre Behandlung als Gewerbebetrieb allein aufgrund der Rechtsform und ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen sachlich gerechtfertigt ist, und ob deswegen § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG als verfassungsgemäß angesehen werden kann.
2. Bei unterstellter Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG könnte die Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustands nicht durch Aufhebung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, sondern nur durch eine Heranziehung aller Betriebe zur Gewerbesteuer erreicht werden, die nach der geltenden Rechtslage nicht gewerbesteuerpflichtig sind. Einer GbR, an der neben Rechtsanwälten auch eine Steuerberatungs-GmbH beteiligt ist, steht vor diesem Hintergrund kein Anspruch nach Art. 3 Abs. 1 GG zu, wie ein Freiberufler, der seine Tätigkeit nicht in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft ausübt, von der Gewerbesteuer befreit zu werden.
Normenkette
EStG 1990 § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1997 § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG 1991 § 2 Abs. 1, 2 S. 1; GewStG 1999 § 2 Abs. 1, 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gesellschafter der Klägerin waren bis zum 31. Dezember 1994 die Rechtsanwälte …
Mit Wirkung zum 1. Januar 1995 traten die Gesellschafter … und … ihre Gesellschaftsanteile an die … Wirtschafts- und Steuerberatung GmbH ab. Im Kaufvertrag vom 15. Dezember 1994 stimmten die Gesellschafter … und dem Verkauf und der Abtretung der Anteile zu. Über die Beteiligung der … GmbH am Gewinn der Klägerin sollte ihren Gesellschaftern ein angemessener Ausgleich dafür geboten werden, dass sie der Klägerin die Gelegenheit bot, in größerem Umfang Mandate aus ihrem Mandantenstamm zu erhalten bzw. zu akquirieren.
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1997 trat der Gesellschafter … einen Teil seiner Anteile an Rechtsanwalt … ab. Im Kaufvertrag vom 1. Januar 1997 stimmten die Gesellschafter … und … Wirtschafts- und Steuerberatung … GmbH dem Verkauf und der Abtretung der Anteile zu. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 trat Rechtsanwalt … und mit Wirkung ab dem 1. Juni 1999 Rechtsanwalt … in die Gesellschaft ein.
Die Klägerin erklärte in den Streitjahren 1995 bis 1998 Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte unter dem Datum des 7. August 2000 erstmals Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1995 bis 1998. In der Folgezeit gab die Klägerin für die Jahre 1999 bis 2001 Gewerbesteuererklärungen ab, aufgrund deren der Beklagte weitere Gewerbesteuermessbescheide gegen die Klägerin erließ, und zwar für das Streitjahr 1999 am 12. Februar 2001. Obwohl die Klägerin in ihren Steuererklärungen ab 1999 selber von Einkünften aus Gewerbebetrieb ausgegangen war, legte sie gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1995 bis 1999 jeweils rechtzeitig Einspruch ein und erhob nach deren Zurückweisung im vorliegenden Verfahren Klage.
Zur Begründung führt sie aus, sie werde zu Unrecht zur Gewerbesteuer herangezogen, weil sie einen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübe.
Nach dem sog. „Klinik-Urteil” des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BStBl. II 2000, 160) dürfe die Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmens nicht allein von seiner Rechtsform abhängig gemacht werden. Dies müsse für die Gewerbesteuer entsprechend gelten, so dass die … GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ausschließlich Rechtsanwälte und/oder Steuerberater seien, nicht gemäß § 2 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) allein wegen ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerpflichtig sein dürfe. Sei aber die … GmbH nicht gewerbesteuerpflichtig, könne auch ihre Beteiligung an ihr, der Klägerin, diese nicht gewerbesteuerpflichtig machen.
Außerdem handele es sich bei dieser Beteiligung nicht um eine mitunternehmerische, sondern um eine faktische stille Beteiligung. Die … GmbH sei in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Klägerin weder im Innen- noch im Außenverhältnis aufgetreten. Denn sie dürfe als Steuerberatungsgesellschaft keinerlei Rechtsberatung betreiben. Sie habe deshalb auch nach den gesellschaftlichen Vereinbarungen kein Stimmrecht; sie sei nicht einmal bei den Gesellschafterversammlungen vertreten gewesen. Auch ihre Rechte aus § 233 Handelsgesetzbuch (HGB) habe sie nicht wahrgen...