Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung einer verbindlichen Auskunft. verbindliche Auskunft als Verwaltungsakt. Zuordnung der Produktion von Biogas zur nicht investitionszulagenbegünstigten Energieversorgung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die für Zwecke der Investitionszulage erteilte verbindliche Auskunft kann wegen materiell-rechtlicher Fehler gem. § 2 Abs. 3 StAuskV aufgehoben werden, wenn sich der Investor ohne erhebliche Schwierigkeiten von den zwischen Zusagenerteilung und -aufhebung eingegangenen Verpflichtungen lösen kann und das Investitionsvorhaben damit im Zeitpunkt der Aufhebung noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Fall ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorrang vor dem Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Einhaltung der verbindlichen Zusage zu geben.
2. Eine positive verbindliche Auskunft ist ein Verwaltungsakt nach § 118 S. 1 AO, der die für die betreffende Steuerart verbindliche Feststellung über eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung des der Auskunft zugrundeliegenden Sachverhalts enthält.
3. Die aus landwirtschaftlichen Haupterzeugnissen erfolgte Biogasherstellung ist in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008) der Unterklasse 35.21.3 Gaserzeugung (zugehörig zu Abschnitt D – Energieversorgung) und nicht der nach dem InvZulG 2010 förderfähigen Mineralölverarbeitung nach Unterklasse 19.20.0 WZ 2008 zuzuordnen.
Normenkette
AO § 89 Abs. 2; StAuskV § 2 Abs. 3; AO §§ 91, 118 S. 1, § 5; InvZulG 2010; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine für Zwecke der Investitionszulage erteilte verbindliche Auskunft aufgehoben werden durfte.
Die Klägerin ist im Bereich der Produktion von Biogas tätig. Sie beabsichtigte in A. einen Betrieb für die Produktion von Bioerdgas zu errichten, in dem durch ein biochemisches Verfahren Methangas mit einem Gehalt an CH4 von über 96% (Bioerdgas) hergestellt werden soll.
Mit verschiedenen Schreiben, zuletzt vom 15. Oktober 2009 stellte die Klägerin beim Beklagten Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), ob die geplante Gasproduktion als produzierendes bzw. verarbeitendes Gewerbe den Kennziffern 15 bis 37 der einschlägigen Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ) zuzuordnen und damit nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 2010 investitionszulagenbegünstigt ist.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) kontaktierte zu dieser Frage das Statistische Bundesamt, nach dessen Auskunft vom 13. Oktober 2009 die Herstellung von Methangas mit einem CH4-Gehalt von mehr als 96% der Unterklasse 19.20.0 der WZ 2008 – Mineralölverarbeitung – zuzuordnen ist (zugehörig zu Abschnitt C – Verarbeitendes Gewerbe).
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 erteilte der Beklagte daher die verbindliche Auskunft, dass im Hinblick auf die Einordnung des Betriebes der Klägerin durch das Statistische Bundesamt in die Unterklasse 19.20.0 der WZ 2008 – Mineralölverarbeitung – bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen das geplante Erstinvestitionsvorhaben für die Kalenderjahre 2010 und 2011 nach dem Investitionszulagengesetz 2010 förderfähig ist. Zur Bindungswirkung verwies er auf Tz. 3.6ff. des BMF-Schreibens vom 11. Dezember 2007 (BStBl I 2007, 830).
Mit weiterem Schreiben des Statistischen Bundesamtes an die OFD vom 12. November 2009 teilte dieses mit, dass der Sachverhalt erneut gründlich geprüft worden und die bisherige Einordnung zu korrigieren sei. Aufgrund der Bezeichnung des Wirtschaftszweigs in Unterklasse 19.20.0 WZ 2008 sowie den Erläuterungen zu dieser, wonach explizit auf die Herstellung von flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen aus Rohöl, bituminösen Mineralien und deren Fraktionierungsprodukten abgestellt werde, also auf Tätigkeiten von Raffinerien, könne die Tätigkeit der Klägerin nicht hierunter gefasst werden, sondern diese gehöre vielmehr zur Unterklasse 35.21.3 der WZ 2008 – Gaserzeugung – (zugehörig zu Abschnitt D – Energieversorgung).
Mit Bescheid vom 17. November 2009, zugestellt am 19. November 2009, teilte der Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Überprüfung durch das Statistische Bundesamt mit und hob die verbindliche Auskunft gemäß § 2 Abs. 3 der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) vom 30. November 2007 (BGBl I 2783) mit Wirkung für die Zukunft auf. Der Beklagte erläuterte, dass dies notwendig sei, um die gesetzliche Vorgabe umzusetzen, dass nur die Steuerpflichtigen Investitionszulage erhielten, die hierauf einen Anspruch hätten.
Am 8. Dezember 2009 legte die Klägerin dagegen Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2011 zurückgewiesen wurde. In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte aus, dass dem Vertrauensschutz ausreichend Rechnung getragen worden sei, weil eine Aufhebung lediglich für die Zukunft erfolgt sei. Im Hinblick auf die im Zeitraum des Bestands der Auskunft vom 28. Oktober bis 19. November 2...