rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung einer Kindergeldfestsetzung für ein minderjähriges Kind über dessen 18. Geburtstag hinaus. Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland als Voraussetzung für Kindergeldanspruch einer nicht freizügigkeitsberechtigen Ausländerin
Leitsatz (redaktionell)
1. Positive Kindergeldfestsetzungen, die nach dem 1.1.2007 auf der Grundlage des geänderten § 70 Abs. 1 EStG n. F. erfolgen, enthalten keine Regelung mehr zu ihrer Erledigung durch Zeitablauf nach § 124 Abs. 2 AO. Vielmehr richtet sich die Wirksamkeit der darin getroffenen Regelung nach den allgemeinen Vorschriften, die bei einer Aufhebung einen schriftlichen Bescheid verlangen. Daher bleibt eine nach dem 1.1.2007 erfolgte Kindergeldfestsetzung für ein damals minderjährigen Kind auch nach dem 18. Geburtstag des Kindes wirksam, solange sie nicht schriftlich aufgehoben wird.
2. Eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG), kann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland – nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 EStG). Auch wenn die Ausländerin in Deutschland polizeilich gemeldet, unter dieser Adresse für Behörden erreichbar ist und vom FA als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt worden ist, ist nicht von einem inländischen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen, wenn u. a. nach Erkenntnissen der Familienkasse und der zuständigen Verwaltungsgemeinschaft der tatsächliche Wohnort in Ungarn liegt, Briefe an deutsche Behörden aus Ungarn abgesandt worden sind, konkrete Angaben und Nachweise für das Vorliegen des behaupteten Wohnsitzes nicht erbracht worden sind und die auf der Annahme einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ergangenen Einkommensteuerbescheide offenbar in Unkenntnis des ausländischen Wohnorts erlassen worden sind.
Normenkette
AO § 124 Abs. 2, §§ 8-9; EStG 2007 § 70 Abs. 1, § 62 Abs. 1-2, § 1 Abs. 2-3; EStG a.F. § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin infolge Wegzugs ins Ausland den Anspruch auf Kindergeld verloren hat.
Die Klägerin ist Staatsangehörige der Philippinen. Sie ist im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis in Deutschland.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2009 hatte die Beklagte zu Gunsten der Klägerin Kindergeld für ihre (Stief-)Kinder C., geb. 12.9.1988, D., geb. 9.3.1991, E., geb. 13.8.1995, F., geb. 16.8.1998 und G., geb. 9.9.2004 ab Januar 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Mit Bescheid vom 17. Juni 2009 hob die Beklagte die Festsetzung für die Kinder E., F. und G. ab Juli 2009 wieder auf, weil die Klägerin ihren Ehemann zum Kindergeldberechtigten bestimmt hatte.
Mit Schreiben vom 23. April 2010 hatte wiederum die Klägerin formlos Kindergeld für ihre (Stief-)Kinder D., E., F. und G. beantragt und um Übersendung entsprechender Formulare gebeten. Am 22. Juni 2010 übersandte sie den formellen Antrag, der auch von ihrem Ehemann unterschrieben war. Als Anschrift hatte sie darin für sich, für ihre Kinder, die in ihrem Haushalt leben sollten, und für ihren Ehegatten die H.-straße 7 in S. angegeben. Beigefügt war ein ausgefülltes Exemplar einer Haushaltsbescheinigung, deren Angaben durch die Verbandsgemeinde W.-Land amtlich bescheinigt waren.
Im Rahmen der Antragsbearbeitung rief der Bearbeiter der Beklagten bei dem Einwohnermeldeamt der Verwaltungsgemeinschaft W.-Land an, dessen Sachbearbeiter mitteilte, dass sich die Klägerin mit ihren Kindern überwiegend in Ungarn aufhalte. Ihr Ehegatte sei ab und zu im Ort zur Erledigung von Behördengängen, im Haus wohne noch der Bruder. Der Bearbeiter der Beklagten folgerte daraus, weil auch die Klägerin im Antrag angegeben hatte, mit den Kindern in einem Haushalt zu wohnen, dass die Klägerin mit ihren Kindern in Ungarn lebe und lehnte den Antrag auf Kindergeld ab Juni 2010 mit Bescheid vom 9. Juli 2010 mangels Wohnsitz/gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ab.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie habe ihren Wohnsitz in S. und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, außerdem sei sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wie ihre Einkommensteuer-Erklärung 2009 beweise. Miete, Strom sowie sonstige Ausgaben würden zur Zeit nicht bezahlt werden.
Mit ihrer – zunächst vor Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung erhobenen – Klage trägt die Klägerin vor, dass sich bereits aus ihrem Einkommensteuerbescheid 2009 ihre unbeschränkte Steuerpflicht ergebe, so dass sich Diskussionen über Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt erübrigen würden. Ihre unbeschränkte Steuerpflicht ergebe sich auch aus ihrem Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 18.05.2012 (getrennte Veranlagung) und...