Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Veranlagung von im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens entstandenen Prozesszinsen und Guthabenzinsen für ein Sperrkonto
Leitsatz (redaktionell)
- Die Zahlung aufgrund eines gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten zivilgerichtlichen Urteils ist auch dann zugeflossen, wenn sie einem der Empfängerbank zur Erbringung der Sicherheitsleistung verpfändeten Sperrkonto des Stpfl. gutgeschrieben wird.
- Bereits im Leistungszeitpunkt bestehende Verfügungsbeschränkungen, die im Interesse des Leistungsempfängers begründet wurden, schließen den Zufluss nicht aus.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7; ZPO § 709 S. 1
Streitjahr(e)
1998, 1999, 2000, 2001
Tatbestand
Mit Urteil vom 4.2.1998 hatte die Klägerin beim Landgericht (LG) Düsseldorf einen Betrag von 2.326.297 DM zzgl. Zinsen gegen die von ihr verklagten Gesamtschuldner B - C - D (zukünftig: die zivilgerichtlich Beklagten) erstritten. Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Sicherheit konnte auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank erbracht werden. Die Klägerin machte von der Möglichkeit Gebrauch, aus dem Urteil des LG schon vor Eintritt der Rechtskraft gegen Leistung der geforderten Sicherheit zu vollstrecken. Aus diesem Grund stellte die Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft in der geforderten Höhe aus. Im Gegenzug hatte die Klägerin mit der Bank vereinbart, den erstrittenen Gesamtbetrag von 3.320.602 DM auf einem gesperrten Sonderkonto zu hinterlegen. In einem Bestätigungsschreiben vom 20.3.2000 heißt es hierzu auszugsweise:
Mit Bezug auf den o.a. Rechtsstreit und das zugunsten unserer Kundin durch das Landgericht Düsseldorf ergangene Urteil haben wir im April 1998 eine Prozessbürgschaft in der vom Landgericht Düsseldorf festgesetzten Höhe von 3.553.405,73 zur Durchführung der Vollstreckung aus dem Urteil ausgestellt. Der eingegangene Gegenwert in Höhe von 3.235.405,73 – verbucht am 24.4.1998 – dient uns als Sicherheit für das ausgereichte Prozeßaval und ist auf einem Sonderkonto hinterlegt und gesperrt. Der Geldbetrag steht (...) bis heute nicht zu ihrer freien Verfügung, solange kein rechtskräftiges Urteil zu Ihren Gunsten vorliegt.
In den Streitjahren hatte die Klägerin für die Gestellung der Bürgschaft folgende Avalprovisionen zu entrichten:
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
18.756,73 DM |
24.875,64 DM |
25.129,21 DM |
25.153,66 DM |
Der Gerichtsstreit endete nach erfolgloser Berufung (Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.12.1999) und Revision (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2002) zu Gunsten der Klägerin. Mit dem Erlöschen der Bürgschaft nach Verfahrensbeendigung gab die Bank das gesperrte Konto frei. Die Klägerin ging davon aus, dass dadurch der steuerliche Zufluss der Zinsen gem. § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bewirkt wurde und erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 folgende Zinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen:
Prozesszinsen |
994.304,39 DM |
Zinsen Sperrkonto 1998 |
54.145,58 DM |
Zinsen Sperrkonto 1999 |
99.330,57 DM |
Zinsen Sperrkonto 2000 |
128.374,23 DM |
Zinsen Sperrkonto 2001 |
88.761,34 DM |
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) folgte dem nicht, sondern vertrat die Auffassung, dass die Zinsen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift auf dem Sperrkonto zugeflossen seien, und zwar wie folgt auf die einzelnen Veranlagungszeiträume verteilt:
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
1.048.449,97 DM |
99.330,57 DM |
128.374,23 DM |
88.761,34 DM |
Zur Begründung wies das FA darauf hin, dass der Umstand, dass Leistungen auf ein Sperrkonto des Leistungsempfängers überwiesen würden und das Guthaben anschließend an eine Bank verpfändet werde, der Annahme eines Zuflusses nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht entgegenstehe. Denn die Verpfändung setze die vorangegangene Verfügungsbefugnis voraus. Der Einwand der Klägerin, im Streitfall handle es sich nicht um eine freie Vereinbarung, sondern um eine gerichtlich angeordnete Verfügungsbeschränkung in Gestalt einer Sicherheitsleistung, ändere daran nichts. Denn die Klägerin habe von der ihr frei eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft durchzuführen. Der Umstand, dass infolge der Verpfändung der Geldanlage hernach die Verfügungsmöglichkeit eingeschränkt worden sei, sei nach Maßgabe der wiedergegebenen BFH-Rechtsprechung unmaßgeblich.
Das FA erließ am 19.12.2003 für 1998 und am 2.1.2004 für 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen u.a. die hier streitigen Zinserträge als Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG angesetzt und die Avalprovisionen als Werbungskosten in Abzug gebracht wurden. Die hiergegen fristgemäß eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 9.5.2006 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass sie aus de...