Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer: Kürzung um Zuschlag zur Abgeltungssteuer – Maßgeblichkeit der tatsächlichen Zahlung im Veranlagungszeitraum
Leitsatz (redaktionell)
1. § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG enthält keine Rechtsgrundlage, um den Sonderausgabenabzug der im Veranlagungszeitraum gezahlten Kirchensteuer um die Kirchensteuerbeträge, welche rechnerisch den nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Kapitalerträgen vorangehender Jahre zuzuordnen sind, auch dann zu kürzen, wenn deren tatsächliche Zahlung nicht im Veranlagungszeitraum erfolgt ist.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2, § 11 Abs. 2 S. 1, § 32d Abs. 1
Streitjahr(e)
2015
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abzugsfähigen Kirchensteuer.
Die Kläger wurden für das Streitjahr 2015 als Eheleute zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Der Kläger ist römisch-katholisch, die Klägerin ist evangelisch. Die Klägerin hatte der A-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner der Kläger ist, Darlehen gewährt, für deren Gewährung die Klägerin jährlich Darlehenszinsen erhielt. Die Beklagte unterwarf die Darlehenszinsen der tariflichen Einkommensteuer. Die Einkommensteuer für 2009 und 2010 wurde mit Bescheiden vom 24.03.2011 (2009) und vom 23.07.2012 (2010) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Die Kläger beantragten, die Bescheide dahingehend zu ändern, dass die Darlehenszinsen der Abgeltungsteuer unterworfen werden. Gegen die Ablehnung ihres Antrags legten sie Einspruch ein. Auch für 2011, 2012 und 2013 wendete der Beklagte die tarifliche Einkommensteuer auf die von der Klägerin erzielten Darlehenszinsen an (Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 15.04.2013, für 2012 vom 26.05.2014 und für 2013 vom 17.04.2015). Hiergegen legten die Kläger ebenfalls Einsprüche ein.
Die Einsprüche ruhten bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Rechtssachen VIII R 31/11 und VIII R 9/13. Nach der Bekanntgabe der höchstrichterlichen Entscheidungen, die zugunsten der Kläger ausfielen, änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2013 im Streitjahr 2015 antragsgemäß und unterwarf die Zinseinnahmen i.H.v. 18.052 € (2009), 14.779 € (2010), 16.459 € (2011), 15.627 € (2012) und 13.393 € (2013) der Abgeltungsteuer (Änderungsbescheide vom 09.06.2015, vom 07.05.2015 für 2013 und vom 27.08.2015 für 2012). Die Einkommensteuerfestsetzung für 2013 wurde erneut aus anderen Gründen mit Bescheid vom 18.06.2015 geändert. Der Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer für 2013 i.H.v. 11.228 € blieb jeweils unverändert.
Im Einzelnen wurden gemäß den Bescheiden aus dem Jahr 2015 die folgenden Kirchensteuerbeträge nachgezahlt („+”) bzw. erstattet („-”):
Jahr |
€ |
Klägerin/Kläger |
Bescheid vom |
|
€ |
|
|
2009 |
- 308,52 |
(= +32,67/ -341,19) |
09.06.2015 |
2010 |
- 498,24 |
(= -249,12/ -249,12) |
09.06.2015 |
2011 |
+ 125,37 |
(= +81,18/ + 44,19) |
09.06.2015 |
2012 |
- 186,66 |
(= +58,68/ -245,34) |
27.08.2012 |
2013 |
+ 220,36 |
(= -369,48/ +972,25 |
17.04.2015 |
|
|
+53,24/ -206,15 |
07.05.2015 |
|
|
-114,75/ -114,75) |
18.06.2015 |
Summe |
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- 647,69 € |
|
Mit Bescheid vom 03.02.2017 wurde die Einkommensteuerveranlagung für 2015 durchgeführt. Dabei wurde „gezahlte Kirchensteuer” i.H.v. 2.429 € als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt. In den Erläuterungen zum Bescheid wurde ausgeführt, dass die gezahlte und erstattete Kirchensteuer entsprechend der dem Finanzamt vorliegenden Daten berücksichtigt worden sei. Die auf die Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer könne nicht berücksichtigt werden, da sie bereits bei der Berechnung des Steuersatzes auf die Kapitalerträge Berücksichtigung finde. Der Beklagte berechnete den Abzugsbetrag wie folgt:
Lohn-Kirchensteuer (KiSt) 2015 Ehemann |
2.558,28 € |
|
|
KiSt-Vorauszahlungen 2015 Ehemann |
3.585,94 € |
(in 2015 gezahlt: 3.625 €) abzüglich |
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39,06 € (KiSt auf Abgeltungsteuersatz) |
---------------- |
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Zwischensumme |
6.144,22 € |
abzüglich des Differenzbetrags zwischen der KiSt
auf die tarifliche ESt des vorletzten Bescheides und der
auf die tarifliche ESt des letzten Änderungsbescheides
für die Jahre 2009, 2011 und 2012
(682,38 €; 561,96 €; 530,46 €),
für 2013 abzüglich eines Betrages i.H.v. 1.442,03 €
(= die auf die tarifliche ESt entfallende KiSt (5.325,21 €)
- Lohn-KiSt (2.451,24 €) - Vorauszahlungen (4.316 €))
und abzüglich des Erstattungsbetrags für 2010 (498,24 €)
Zwischensumme: |
- 3.715,07 € |
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----------------- |
Summe |
2.429,15 € |
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, mit welchem sie geltend machten, die vom Beklagten durchgeführte Ermittlung stelle nicht auf die im Veranlagungszeitraum gezahlte Kirchensteuer ab, wie es § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorsehe. Die Berücksichtigung von 6.144,22 € sei zutreffend. Dagegen könnten die Kirchensteuerminderungen i.H.v. 3.715,07 € für die Jahre 2009 bis 2013 nicht nachvollzogen werden. Für 2009 und 2010 dürfe grundsätzlich keine Minderung der Kirchensteuer erfolg...