Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitgleicher An- und Verkauf neuer Aktien kein Gestaltungsmissbrauch
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden dividendenberechtigte Altaktien von einem nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben und die gleiche Anzahl junger Aktien desselben Emittenten ohne Dividendenanspruch vom Erwerber an den Verkäufer übertragen, so sind dennoch dem Erwerber der Altaktien die Dividende und die damit verbundenen Steuerguthaben als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen.
2. Die sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1990 schließt die Anwendung des
§ 42 AO aus. (Leitsätze 1-2: Anschluss an Urteil des BFH v. 15.12.1999 I R 29/97, BStBl II 2000, 527).
3. § 42 Abs. 2 AO i.d.F. des StÄndG 2001 kann als den Steueranspruch gestaltende Regelung nicht auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume zurückwirken.
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, § 42 AO Abs. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 50c Abs. 1, 8 S. 2
Streitjahr(e)
1988, 1989, 1990, 1991
Tatbestand
Die Klägerin ist als Börsenmaklerin an der X-Börse zu E tätig. Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung E führte im Jahre 1994 eine Außenprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 1988 bis 1992 durch. Dabei stellte der Betriebsprüfer folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin kaufte im Jahr 1990 Aktien der A AG und der B AG von der C Bank AG. Am Tage des Kaufs verkaufte die Klägerin so genannte neue Aktien (d.h. solche ohne Dividendenberechtigung für den nächsten Ausschüttungstermin) der selben Gesellschaften und in dem selben Umfang an die C Bank AG zurück. Hierbei handelte es sich um folgende Vorgänge:
Datum An- und Verkauf |
Anzahl |
AG |
Wertpapierkenn-Nr. |
Kurs Ankauf |
Kaufpreis incl. Provision |
Kurs Verkauf |
Verkaufserlös nach Provision |
00.00.1990 |
50.000 |
A AG |
000000 |
293 |
14.655.860 |
277 |
13.844.460 |
00.00.1990 |
7258 |
B AG |
000000 |
291 |
16.668.742,83 |
275 |
15.739.651,62 |
Für die Klägerin wurden sodann Dividendengutschriften einen Tag nach der jeweiligen Hauptversammlung in folgender Höhe vorgenommen: Am 00.00.1990 schüttete die A AG eine Dividende in Höhe von 13 DM pro Aktie aus, wodurch die Klägerin eine Bruttodividende in Höhe von 650.000 DM erhielt, von der unter Einbehaltung einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 162.500 DM ein Nettobetrag in Höhe von 487.500 DM ausbezahlt wurde. Die anrechenbare Körperschaftsteuer wurde mit 365.625 DM bescheinigt. Eine Dividendenzahlung der B AG am 00.00.1990 in Höhe von 13 DM pro Stück ergab einen Bruttobetrag in Höhe von 744.354 DM sowie eine einbehaltene Kapitalertragsteuer von 186.088,50 DM und eine anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 418.699,13 DM.
Die Klägerin berücksichtigte die Kursverluste (inkl. An- und Verkaufskosten) gewinnmindernd, während die Bruttodividende zzgl. anrechenbarer Körperschaftsteuer als Ertrag erfasst wurde. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaftsteuer rechnete die Klägerin unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen bei der Ermittlung der Körperschaftsteuer an.
Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, der Ankauf der Aktien und der gleichzeitige Verkauf neuer Aktien erfülle den Umgehungstatbestand des § 42 Abgabenordnung -AO-. Die getätigten An- und Verkäufe hätten auf Grund des kalkulierten Kurses zwingend zu einem erheblichen Verlust geführt, der nur durch die Erstattung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer habe ausgeglichen werden können. Andererseits hätten die nicht anrechnungsberechtigten Geschäftspartner über der zu erwartenden Nettodividende liegende Kursgewinne erzielt, so dass durch diese Gestaltung eine Umgehung des Ausschlusses der Körperschaftsteueranrechnung möglich gewesen sei. Des Weiteren spreche für ein Umgehungsgeschäft, dass die Klägerin weder an der Hauptversammlung teilgenommen noch ihr Stimmrecht ausgeübt und keine sich aus derartigen Aktienpaketen ergebende Marktchancen wahrgenommen habe. Der Prüfer schlug vor, den Aktienerwerb, die Veräußerung der Aktien und den Dividendenzufluss nicht anzuerkennen und die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer abzulehnen.
Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Außenprüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 1990 und 1992 und zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1990 bis 31.12.1992 (jeweils vom 25.07.1996), mit denen der erzielte Kursverlust in Höhe von 1.740.491,21 DM nicht anerkannt und die Dividendeneinnahmen in Höhe von 2.178.678,13 DM (inkl. Kapitalertragsteuer und anrechenbarer Körperschaftsteuer) - unter Änderung der Gewerbesteuerrückstellung - nicht gewinnerhöhend angesetzt wurden. Den gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einspruch vom 30.07.1996 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 23.04.1998 als unbegründet zurück.
Mit der am 19.05.1998 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe zu Unrecht einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO angenommen. Zunächst verweist die Klägerin auf den Umstand, dass die Anwendung des § 42 AO durch di...