Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 7/07)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchensteuer bei glaubensverschiedener Ehe - Bemessungsgrundlage, Verfahrensfehler und Wiedereinsetzung trotz Ablauf der Jahresfrist
Leitsatz (redaktionell)
- Einwendungen gegen die Berechnung der Kirchensteuer-Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 2 KiStG bei glaubensverschiedener Ehe unter Einbeziehung der steuerfreien Halbeinkünfte (§ 51a Abs. 2 EStG) sind nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen.
- Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 2 KiStG ist keine selbständig anfechtbare gesonderte Feststellung, sondern eine unselbständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung, die zum Aufgabenbereich der Kirche gehört. Auch die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG erfüllt nicht den Begriff der „Maßstabsteuer” i. S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG. Die Finanzbehörde wird insoweit im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig.
- Ein von der Finanzbehörde auf einen als Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid auszulegenden Einspruch durchgeführtes Vorverfahren reicht als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, weil der adäquate, vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt ist.
- Beruhen die Verfahrenskosten auf einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens durch die beklagte Behörde, sind dieser die Kosten des durch Prozessurteil abgeschlossenen Verfahrens aufzuerlegen.
- Für den unterlassenen Einspruch gegen den Kirchensteuerbescheid kann aufgrund der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein, da der Begriff der höheren Gewalt auch Fälle erfasst, in denen der Steuerpflichtige durch das Verhalten einer Behörde davon abgehalten wird, eine Frist zu wahren.
Normenkette
EStG § 51a; FGO § 44 Abs. 1, § 137 S. 2; KiStGNW §§ 4, 7 Abs. 2, §§ 9, 14; KiStO § 25 Abs. 2 S. 1; AO § 110 Abs. 2, §§ 157, 199 Abs. 1, § 351 Abs. 2, § 356
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Kirchensteuer in glaubensverschiedener Ehe.
Die Klägerin ist Mitglied der römisch-katholischen Kirche; ihr Ehemann gehört keiner Kirche an.
Die Eheleute wurden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt; beide erzielten u.a. Einnahmen aus Kapitalvermögen, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen (vgl. § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes –EStG-); die „Halbeinkünfte” jedes Ehegatten betrugen 12.500 EUR. Auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens der Eheleute von 201.693 EUR (darin enthalten Einkünfte der Klägerin von 82.072 EUR und ihres Ehemanns von 125.471 EUR) setzte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 2005 gegenüber der Klägerin Kirchensteuer in Höhe von 3.141,18 EUR fest. Die Berechnung der Kirchensteuer lautete wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen |
201.693 |
|
steuerfreie Halbeinkünfte des Ehemanns |
12.500 |
|
steuerfreie Halbeinkünfte der Ehefrau |
12.500 |
|
maßgebendes zu versteuerndes Einkommen |
226.693 |
|
darauf entfallende ESt |
|
90.200 |
Bemessungsgrundlage |
|
90.200 |
auf die Ehefrau entfallen |
|
34.902 |
davon 9 v.H. r.k. Kirchensteuer |
|
3.141,18 |
Den auf die Ehefrau entfallenden Anteil der Bemessungsgrundlage (34.902 EUR) hatte der Beklagte wie folgt ermittelt:
|
Einkünfte |
Steuer lt. Grundtabelle |
Ehemann |
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- lt. Bescheid |
125.471 |
|
- steuerfreie Halbeinkünfte |
+ 12.500 |
|
Summe |
137.970 |
57.043 |
Ehefrau |
|
|
- lt. Bescheid |
82.072 |
|
- steuerfreie Halbeinkünfte |
+ 12.500 |
|
Summe |
94.590 |
+ 36.004 |
Steuer gesamt |
|
93.047 |
Anteil der Klägerin: 36.004/93.047 (38,96 %) x 90.200 EUR = 34.902 EUR.
Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt: „Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der zuständigen evangelischen Kirchengemeinde einzureichen.”
Die Klägerin und ihr Ehemann legten gegen den Bescheid 2003 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag Einspruch ein und machten geltend, der Beklagte habe bei Berechnung der Kirchensteuer die auf die Klägerin entfallende Bemessungsgrundlage unzutreffend festgelegt. Maßgebend sei die sich anteilig lt. Grundtabelle ergebende Steuer allein für die steuerpflichtigen Einkünfte (hier Ehemann 125.471 EUR und Klägerin 82.072 EUR); bei dieser Verhältnisrechnung seien die steuerfreien Halbeinkünfte nicht einzubeziehen. Danach betrage der Anteil der Klägerin an der festges...