vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurücknahme eines Antrags auf ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG – Möglichkeit der Änderung des Wahlrechts bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids
Leitsatz (redaktionell)
- Der Antrag auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 kann bis zur Rechts- oder Bestandskraft des Steuerbescheids zurückgenommen werden.
- Die Ausübung und die Nichtausübung des Wahlrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gehört nicht zu den nach Maßgabe des § 351 Abs. 1 AO materiell bestandskräftig gewordenen Besteuerungsgrundlagen, so dass die Zurücknahme des Antrags auch im Rahmen des Einspruchs gegen einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid erfolgen kann.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1; AO § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 351 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger einen Antrag auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zurücknehmen konnten.
Die Klägerin und ihr am „…”.2008 verstorbener Ehemann, der Vater des Klägers, erklärten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2002 laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Ehemanns der Klägerin aus einer Beteiligung an der „T-KG” von
-835.697€ und einen Veräußerungsgewinn, für den der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG beantragt wurde, von 1.134.763€. Der Beklagte führte die Veranlagung mit Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.3.2005 erklärungsgemäß durch und setzte die Einkommensteuer auf 90.029 € fest.
Aufgrund einer Mitteilung für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 5.1.2009 erließ der Beklagte am 16.2.2009 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002, mit dem er laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb von -871.604 € und weiterhin einen Veräußerungsgewinn von 1.134.763€, der nach § 34 Abs. 3 EStG versteuert wurde, ansetzte und die Einkommensteuer auf 81.323 € festsetzte.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 13.3.2009 Einspruch ein und beantragten, hinsichtlich der außerordentlichen Einkünfte die Einkommensteuer 2002 nicht nach dem ermäßigten Steuersatz des §34 Abs. 3 EStG zu bemessen.
Mit Schreiben vom 23.3.2009, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, führte der Beklagte aus, dass er das Begehren auf verbösernde Festsetzung der Einkommensteuer 2002 mit der Folge eines im Saldo höheren Vorteils wegen Berücksichtigung in einem Folgejahr nach pflichtgemäßem Ermessen ablehne.
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 27.5.2009 Einspruch ein und machten geltend, dass der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung jederzeit widerrufen werden könne.
Der Beklagte wies den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 mit Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 als unbegründet zurück.
Den Einspruch gegen die Ablehnung vom 23.3.2009 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung ebenfalls vom 15.9.2011 als unzulässig. Er führte aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 23.3.2009 nicht um einen Verwaltungsakt handele.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 17.10.2011 Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.2.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 erhoben.
Sie machen geltend, dass es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 23.3.2009 um einen Verwaltungsakt handele. In der Sache seien die Kläger zu einer Änderung ihrer Wahlrechtsausübung nach § 34 Abs. 3 EStG berechtigt gewesen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf Schriftsätze vom 28.11.2011 und 11.11.2013 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 23.3.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2011 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass der ermäßigte Steuersatz nach §34 Abs. 3 EStG keine Anwendung findet.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er macht geltend, sein Schreiben vom 23.3.2009 habe keine Verwaltungsaktqualität. Es handele sich nicht um eine endgültige Entscheidung in Form der Ablehnung des gestellten Antrags, sondern sei so zu verstehen, dass der Beklagte nicht bereit gewesen sei, dem Änderungsbegehren zuzustimmen und dem Einspruch abzuhelfen. Einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 2002 stehe § 351 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) entgegen. Insbesondere sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung nicht auf das Wahlrecht gem. § 34 Abs. 3 EStG übertragbar, weil die Kläger nicht die vollständig neue Veranlagung mit der Aufhebung des ursprünglichen Steuerbescheids, sondern die Änderung des bisherigen Bescheids begehrten. Aus der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Formulierung „soweit es nach den Vorschriften der AO zulässig ist” ergebe sich, dass der Gesetzgeber im Falle des