Leitsatz (redaktionell)
Die Sanktionsregelung des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 (it. a) VO (EWG) Nr. 3665/87 verstößt weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen das Diskriminierungsverbot oder gegen rechtstaatliche Grundsätze.
Normenkette
EWGV 3665/87 § Art. 11
Tatbestand
Die Klägerin meldete mit Ausfuhranmeldung des Hauptzollamts L vom 24. Mai 1996 (VAB 3 00179) 21.600 kg Schmelzkäse der Marktordnungs-Warenlistennummer 0406 3039 9500 (Art.-Nr. der Klägerin: 51186) zur Ausfuhr nach Rußland an. Das Hauptzollamt L entnahm dieser Partie eine Probe. Die Warensendung wurde am 29. Mai 1996 aus der Gemeinschaft ausgeführt. Auf den Formantrag der Klägerin vom 10. Juni 1996, der am 27. Juni 1996 beim Beklagten einging, gewährte dieser mit Bescheid vom 7. August 1996 Ausfuhrerstattung als Vorschuß in Höhe von … DM.
Mit Änderungsbescheid vom 23. April 1997 forderte der Beklagte die gewährte Erstattung zuzüglich 15 % zurück und führte zur Begründung aus, daß die Ware nach dem Ergebnis der Probenuntersuchung durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der OFD München vom 1. August 1996 Pflanzenfett enthalten habe und deshalb abweichend von der Anmeldung der Klägerin der Marktordnungs-Warenlistennummer 2106 9098 0000 zuzuweisen sei. Für diese Nicht-Anhang II-Ware könne keine Erstattung gewährt werden, weil bei der Ausfuhr keine Erklärung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1222/94 abgegeben worden sei. Dieser Änderungsbescheid wurde von der Klägerin nicht angefochten.
Mit Bescheid vom 21. Mai 1997 über die Anforderung des Sanktionsbetrags zum Änderungsbescheid setzte der Beklagte eine Sanktion in Höhe von … DM gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) VO Nr. 3665/87 gegen die Klägerin fest. Auf den hiergegen am 23. Juni 1997 erhobenen Einspruch der Klägerin reduzierte der Beklagte den Sanktionsbetrag auf … DM (wegen der Berechnung wird auf S. 1 der Einspruchsentscheidung verwiesen – Bl. 25 d.A.), wies aber im übrigen den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 1997, zugestellt am 10. Juli 1997, zurück.
Mit ihrer am Montag, den 11. August 1997 erhobenen Klage geht die Klägerin mit dem Beklagten davon aus, daß die tatsächlich ausgeführte Ware nicht erstattungsfähig gewesen sei, macht aber geltend, daß der Sanktionsbescheid rechtswidrig sei, weil in ihrem Fall von höherer Gewalt i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 erster Spiegelstrich VO Nr. 3665/87 auszugehen sei. Sie habe den Käse von einem angesehenen Hersteller gekauft, zu dem sie seit langem in einer beanstandungsfreien Geschäftsbeziehung stehe. Die bezogenen Waren habe sie durch die Milchwirtschaftliche Untersuchungs- und Versuchsanstalt immer wieder stichprobenweise sensorisch sowie auf Fettgehalt und Keime untersuchen lassen. Eine Untersuchung jeder Warenpartie sei betriebswirtschaftlich wegen der hohen Kosten nicht vertretbar. Zudem hätten die üblichen Untersuchungsmethoden kein Pflanzenfett im Käse anzeigen können. Dies sei nur mit einer sehr aufwendigen gaschromatographischen Untersuchung möglich. Sie habe aber wegen der eindeutigen Regelung in der Käseverordnung, wonach der Zusatz milchfremder Fette nicht zugelassen sei, keine Veranlassung gehabt, diese noch komplexere und teurere Untersuchung durchführen zu lassen. Daß der Technische Leiter im Schmelzwerk des Herstellers (in der Zeit von Januar bis August 1996) sich für berechtigt gehalten habe, dem Käse aus Geschmacksgründen Pflanzenfett zuzusetzen, sei sowohl für sie als auch für die Geschäftsleitung des Herstellers unverständlich. Mit einer solchen Fehlinterpretation der maßgeblichen Vorschriften sei nicht zu rechnen gewesen. Hinsichtlich der Fremdfettbeimischung und der entsprechenden Erstattungsschädlichkeit treffe sie somit kein Verschulden. Außerdem entfalle die Sanktion in ihrem Fall gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 zweiter Spiegelstrich VO Nr. 3665/87, da nach der Entgegennahme der Ausfuhranmeldung durch die zuständige Behörde Umstände bekannt geworden seien, für die sie nicht verantwortlich sei.
Sollten diese Umstände des Streitfalls von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 erster und zweiter Spiegelstrich VO Nr. 3665/87 nicht erfaßt werden, so sei die Vorschrift des Unterabs. 1 lit. a) jedenfalls als nicht wirksam anzusehen, da sie gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Rechtsstaatsprinzip und das Diskriminierungsverbot verstoße. Es sei zu berücksichtigen, daß dem Ausführer mit der Rückforderung der Erstattung nicht nur ein Bonus entgehe, sondern ein abgeschlossenes Exportgeschäft nur mit Verlusten durchgeführt werden könne. Über diese nachteilige Folge gehe die Sanktion noch hinaus. Mit dem undifferenzierten Automatismus, der bei einer Differenz zwischen beantragter und tatsächlicher Erstattung ohne Berücksichtigung des Verschuldensgrades zu einer Sanktion führe, sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Dieser erfordere eine Staffelung und Abstufung der Folgen einer Nichteinhaltung der maßgeblichen Vorschriften. Auße...