Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuergesetz: Verlustfeststellung gem. § 10d EStG für 1999 - 2001
Leitsatz (amtlich)
§ 10d Abs. 4 Satz 6 und § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i. d. F. des JStG 2007 verstoßen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Rückwirkungsverbot, denn die Neuregelung beschränkt sich auf noch nicht feststellungsverjährte Zeiträume.
Normenkette
EStG § 10d; AO §§ 169-170, 181 Abs. 5
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, für die Jahre 1999 bis 2001 Verlustfeststellungsbescheide gem. § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) zu erlassen.
Die 19... geborene Klägerin studierte von November 1998 bis Oktober 2003 ... Seit Januar 2004 war sie als Trainee im Bereich "..." beschäftigt. Anschließend erfolgte eine Festanstellung. Sie erzielte im Jahr 2004 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 45.440 €. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug 44.156 €.
Die Klägerin hatte für 1999, 2002 und 2003 jeweils Einkommensteuererklärungen eingereicht. Für alle drei Jahre betrug das zu versteuerndes Einkommen 0 €. Die von ihr in diesen Jahren gezahlte Lohnsteuer wurde zurückerstattet. Durch den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 25.02.2000 wurde ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 5.525 DM berücksichtigt. Zum 31.12.2003 wurde durch den Bescheid vom 11.02.2004 ein verbleibender Verlustvortrag in Höhe von 978 € festgestellt. Der zum 31.12.2004 verbliebene Verlustvortrag wurde durch den Bescheid vom 23.03.2005 in Höhe von 0 € festgestellt.
Mit Schreiben vom 11.08.2009 beantragte die Klägerin die Verlustfeststellungen für die Jahre 1999 bis 2001. Sie erklärte für 1999 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten in Höhe von 29.287 DM, für 2000 in Höhe von 52.909 DM und für 2001 in Höhe von 25.050 DM.
Die erklärten Werbungskosten setzten sich insbesondere aus Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung, Umzüge, Fahrtkosten zwischen Wohnung und Bildungsstätte, Fortbildungs- bzw. Dienstreisen und Arbeitsmittel zusammen. Auf die entsprechenden Erklärungen und Belege wird verwiesen.
Diesen Antrag auf Verlustfeststellung für die Jahre 1999 bis 2001 lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die eingetretene Festsetzungsverjährung durch Bescheid vom 24.08.2009 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.09.2009 Einspruch ein. Durch Einspruchsentscheidung vom 15.02.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Am 17.03.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG sei verfassungswidrig, denn diese Regelung führe dazu, dass Verluste, die in den Streitjahren 1999 bis 2001 entstanden seien, rückwirkend verloren gingen. Die Regelung greife damit in unzulässiger Weise in abgeschlossene Zeiträume ein, so dass es sich um eine unzulässige Rückwirkung handele. Denn entscheidend sei nicht, wann der Antrag auf Verlustfeststellung gestellt worden sei, sondern wann die Verluste entstanden seien. Dieses sei bereits in den Jahren 1999, 2000 und 2001 gewesen. Vor der Einführung dieser gesetzlichen Regelung sei es möglich gewesen, die Verlustfeststellungen nahezu unbegrenzt durchzuführen, denn gem. § 181 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) habe eine Feststellung noch so lange durchgeführt werden können, wie die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung gewesen sei. Da die drei begehrten Feststellungen noch für den Einkommensteuerbescheid 2004 von Bedeutung seien, wäre nach der alten Rechtslage die Verlustfeststellung möglich gewesen. Die Klägerin sei auch schutzbedürftig, denn es entspreche dem Gebot der Leistungsfähigkeit, dass entstandene Verluste berücksichtigt werden müssten. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf den Aufsatz von Kube, Die intertemporale Verlustverrechnung zur Einbeziehung von Altverlusten in eine Neuregelung, DStR 2011, 1829. Da die erklärten Verluste spätestens 2005 verbraucht sein müssten, könnten keine besonderen Gemeinwohlinteressen an der gesetzlichen Rückwirkung bestehen. Dies sei auch daran zu erkennen, dass für die Jahre vor 1999 noch eine Verlustfeststellung möglich gewesen sei.
Entscheidend für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung sei, ob die Rechtsposition, die der Steuerpflichtige vor der Neuregelung gehabt habe, durch die Gesetzesänderung entwertet worden sei. Dies sei im Streitfall der Fall gewesen, denn nach der jahrzehntelangen und gefestigten Rechtsprechung habe die Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO dazu geführt, dass die Verlustfeststellung gem. § 10d EStG auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist möglich gewesen sei. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG habe diese Rechtslage praktisch ausgehebelt und auch für bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume geändert. Unter den Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit liege eine unzulässige unechte Rückwirkung vor.
Es könne auch ni...