Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 93/16, VII S 18/16)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Wirksamkeit der Rechtsbehelfsbelehrung bei fehlendem Hinweis auf Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form
Leitsatz (amtlich)
Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form führt auch nach Änderung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO mit Wirkung vom 1. August 2013 nicht zur Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne von § 356 Abs. 2 Satz 1 AO.
Normenkette
AO §§ 34-35, 69, 91, 110, 122 Abs. 5 Satz 2, § 126 Abs. 3, §§ 191, 355-357; VwZG § 3 Abs. 1; ZPO §§ 180, 182, 418
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtzeitigkeit eines Einspruchs und die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.
Der Kläger wurde ohne vorherige Anhörung durch den Beklagten mit Haftungsbescheid vom 17. September 2013 für Steuerschulden einschließlich Nebenleistungen der A GmbH in Höhe von insgesamt 224.695,35 € als faktischer Geschäftsführer gemäß § 191 Abs. 1 i. V. m. §§ 69, 34, 35 der Abgabenordnung (AO) in Anspruch genommen. Für den Haftungsbescheid wurde vom Beklagten ein Zustellungsauftrag an die Deutsche Post AG erteilt.
Ausweislich der Postzustellungsurkunde (PZU) wurde das zuzustellende Schriftstück auf der Urkunde mit dem Aktenzeichen ...-1 und dem Zusatz "H-Bescheid v. 17.09.2013" bezeichnet und am 20. September 2013 in den zur Wohnung des Klägers, X-Straße ..., B, gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt, weil die Übergabe des Schriftstücks nicht möglich war. Die Urkunde wurde vom Zusteller unterschrieben und am 25. September 2013 in Bezug auf das Zustelldatum durch ein saubereres Schriftbild handschriftlich berichtigt. Auf den weiteren Inhalt der Urkunde, Bl. 25 der Haftungsakte des Beklagten, wird ergänzend Bezug genommen.
Am 4. November 2013 meldete sich die Steuerberater-Gesellschaft des Klägers schriftlich beim Beklagten und bezogen sich auf ein Telefongespräch am 1. November 2013. Darin machten sie geltend, dass dem Kläger am 31. Oktober 2013 eine Vollstreckungsankündigung zugegangen sei. Darin werde auf einen Haftungsbescheid vom 17. September 2013 Bezug genommen. Dieser Bescheid sei dem Kläger nicht zugegangen. Zudem wäre ein Haftungsbescheid nach wirksamer Bekanntgabe nicht rechtmäßig. Der Kläger sei kein faktischer Geschäftsführer der A GmbH gewesen.
Der Beklagte teilte den Steuerberatern des Klägers mit Schreiben vom 7. November 2013 mit, dass der Haftungsbescheid am 20. September 2013 zugestellt worden sei. Dies belege die PZU. Der Haftungsbescheid sei rechtskräftig und vollstreckbar, weil die Rechtsbehelfsfrist verstrichen sei.
Die Steuerberater-Gesellschaft des Klägers beantragte daraufhin am 15. November 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich des Haftungsbescheids. Der Bescheid sei trotz der Beweiskraft der PZU nicht zugegangen. Der Kläger habe sich am 20. September 2013 in C befunden. Nach seiner Rückkehr am 25. September 2013 habe er den Haftungsbescheid nicht in seinem Briefkasten vorgefunden. Dies versichere der Kläger an Eides statt. Es werde die Bekanntgabe des Bescheides beantragt und vorsorglich Einspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 25. März 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Am 20. Mai 2015 verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig.
Der Kläger hat am 22. Juni 2015 Klage erhoben. Es sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ihm, dem Kläger, sei von anderen Mietern des Hauses X-Straße ..., B, im Nachhinein bestätigt worden, dass es im fraglichen Zeitraum im September 2013 wiederholt zu Diebstählen von Postsendungen aus den insbesondere für die Besucher des im Souterrain des Hauses befindlichen Lokals XX frei zugänglichen Postkästen gekommen sei. Insofern sei es naheliegend, dass auch der Haftungsbescheid vom 17. September 2013 im Wege eines Postdiebstahls abhandengekommen sei. Er, der Kläger, sei deshalb ohne Verschulden gehindert gewesen, fristgerecht Einspruch gegen den Haftungsbescheid einzulegen. Der Bescheid sei ihm im Übrigen erst als Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 23. Juli 2015 zur Kenntnis gegeben worden.
Die Zustellung sei fehlerhaft. Sowohl die PZU als auch der Umschlag der Sendung müssten einen Hinweis auf das zuzustellende Schriftstück, insbesondere die Geschäftsnummer, enthalten. Aus der Haftungsakte sei zu entnehmen, dass der Vorgang unter der Steuernummer ...-2 geführt werde. Sowohl der Haftungsbescheid als auch die PZU wiesen demgegenüber die Steuernummer ...-1 auf. Die Zustellung sei deshalb unwirksam. Zudem sei die Rechtsbehelfsbelehrung nicht ordnungsgemäß. Sie entspreche nicht dem seit dem 1. August 2013 geltenden Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form werde nicht erwähnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müsse die Rechtsbehelfsbelehrung die gesetzlichen Voraussetzungen eines Rechtsbehel...