Revision ist zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bilanzänderung aufgrund neuer Rechtsprechung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Änderung der Rechtsprechung führt nicht zur Unrichtigkeit eines Bilanzansatzes, der der zur Zeit der Bilanzaufstellung vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht.
2) Ist noch keine Rechtsprechung zu einer Bilanzierungsfrage ergangen, ist jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als richtig anzusehen.
3) Stehen die den Schluss auf eine Rückstellungsverpflichtung erlaubenden Erkenntnisquellen jedem Rechtsteilnehmer offen, so kann die - einer Bilanzberichtigung entgegenstehende - zeitgebundene subjektive Richtigkeit einer gegenteiligen Handhabung die alternative subjektive Richtigkeit einer der wirklichen Rechtslage entsprechenden Bilanzierung nicht ausschließen.
4) Die Bildung einer Rückstellung für Archivierungskosten im Wege einer Bilanzänderung ist nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zulässig, wenn sie bei Bilanzaufstellung vor der am 19.08.2002 hierzu ergangenen Entscheidung des BFH, nicht gebildet wurde.
Normenkette
HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 257; AO § 147; EStG § 4 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz – EStG – aufgrund einer erst nach dem Aufstellungszeitpunkt eingetretenen Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Auf der Grundlage des von der Klägerin am 00.00.2001 aufgestellten Jahresabschlusses zum 31.12.2000 erging am 00.00.0000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung der Bescheid über Körperschaftsteuer und Feststellungen gem. § 47 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz – KStG – für das Jahr 2000, der bis auf die Kürzung der abziehbaren Spenden um … DM der abgegebenen Steuererklärung entsprach. Der Steuerbilanzgewinn betrug demnach … DM.
Im Rahmen einer am 00.00.0000 begonnenen Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D. (Bericht vom 00.00.0000) ermittelte der Prüfer eine Erhöhung des Steuerbilanzgewinns um … DM und eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um … DM. Die Veränderung des Steuerbilanzgewinnes beruhte auf einer Minderung der Pauschalwertberichtigung für Kundenforderungen um … DM, einer höheren Bewertung der Wertpapiere in Höhe von … DM, einer Minderung der Verbindlichkeit aus … in Höhe von … DM, einer Erhöhung der Umsatzsteuerverbindlichkeit für … in Höhe von … DM sowie einer Erhöhung der Steuerrückstellungen um … DM.
Bereits mit Schreiben vom 00.00.2004 hatte die Klägerin den Prüfer auf einen zusätzlichen Rückstellungsbedarf im Jahr 2000 für Archivierungsaufwendungen in Höhe von … DM hingewiesen, der zu ihren Gunsten berücksichtigt werden müsse. Dieser Rückstellungsbetrag setzte sich wie folgt zusammen:
|
Position |
Betrag |
1 |
Raumaufwendungen für 10 Jahre aufbewahrungspflichtiges Archivgut |
… DM |
2 |
Raumaufwendungen für 6 Jahre aufbewahrungspflichtiges Archivgut |
… DM |
3 |
Anteiliger Personal- und Sachaufwand für den Betrieb der Archive und die Vernichtung des Archivguts |
… DM |
4 |
Elektronische Archivierung …Daten – Bestandsspeicherung |
…DM |
5 |
Elektronische Archivierung …Daten – Wartung |
… DM |
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Summe nach Rundung |
… DM |
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 00.00.0000 nebst Anlagen (BP-Handakte II, Trennblatt 19) und den Schriftsatz der Klägerin vom 00.00.0000 Bezug genommen.
Diese Rückstellung wurde von dem Prüfer entsprechend seiner telefonischen Ankündigung vom 00.00.0000 bei der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns nicht angesetzt. Zur Begründung wies er darauf hin, dass eine Rückstellung für Aufbewahrungskosten in der Handelsbilanz nicht passiviert worden sei.
Bei der Auswertung der im Übrigen unstreitigen Feststellungen der Betriebsprüfung mit dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – ergangenen Änderungsbescheid für das Jahr 2000 über Körperschaftsteuer und Feststellungen gem. § 47 Abs. 2 KStG vom 00.00.0000 ließ auch der Beklagte die begehrte Rückstellung für Archivierungsaufwendungen außer Ansatz.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch wies die Klägerin darauf hin, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19.08.2002 VIII R 30/01 (BStBl II 2003, 131) für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von bereits entstandenen Geschäftsbelegen, zu der das Unternehmen handelsrechtlich gem. § 257 des Handelsgesetzbuches – HGB – und steuerrechtlich nach § 147 AO verpflichtet sei, eine Rückstellung gebildet werden müsse. Es handele sich dabei um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten im Sinne des § 249 Abs. 1 Satz 2 HGB in Gestalt öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, an deren Verletzung Sanktionen geknüpft seien. Nachdem dem hierauf zielenden Antrag nicht Rechnung getragen worden sei, werde eine entsprechende Änderung des Bescheides beantragt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung teilte er mit, dass eine Passivieru...