Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Kaufvertrages im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufhebung eines Übereignungsanspruchs kann nur dann als Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angesehen werden, wenn sie den Verkäufer schlechthin aus seiner Übereignungsverpflichtung entläßt, d.h. sich der Erwerber aller Rechte begibt.
Dieses kann nicht angenommen werden, wenn dem Veräußerer - jedenfalls im Moment der Vertragsaufhebung - die freie Verfügung über sein Grundstück unmöglich ist, weil noch Auflassungsvormerkungen für den ursprünglichen Käufer bestanden.
2. Wird ein Grundstückskaufvertrag mit einer Kapitalgesellschaft rückgängig gemacht und erwirbt der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft das Grundstück, wird aufgrund der bestehenden Interessengleichheit zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter-Geschäftsführer im allgemeinen keine Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufvertrages im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG mit der Kapitalgesellschaft anzunehmen sein.
Normenkette
GrEStG § 16 Abs. 1, 1 Nr. 1
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 1.10.1996 erwarb die Klägerin die im Eigentum der Frau L stehenden Wohnungserbbaurechte, eingetragen im Grundbuch von M. Blatt …, …, …, … und … gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von DM … sowie von deren Ehemann H die im selben Grundbuch eingetragenen Wohnungserbbaurechte …, …, …, … und … gegen Zahlung von DM …. Die Klägerin wurde dabei vertreten durch ihren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer M, der gleichzeitig auch Alleingesellschafter der Klägerin war. § 2 letzter Satz des notariellen Kauf- und Übertragungsvertrages enthielt eine Rücktrittsklausel für den Fall der mangelnden Hinterlegung des Kaufpreises, der nach dem Vertrag zum 30.12.1996 fällig sein sollte.
Der Beklagte erteilte der Klägerin am 22.10.1996 einen Steuerbescheid über Grunderwerbsteuer in Höhe von DM …, gegen den die Klägerin keinen Einspruch erhob.
Am 23.12.1996 hoben allerdings die am ursprünglichen Kauf- und Übertragungsvertrag vom 1.10.1996 Beteiligten diesen Vertrag durch weiteren notariellen Vertrag einvernehmlich auf und beantragten, die zugunsten der Klägerin im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu löschen. Im gleichen Vertrag veräußerten die Eheleute die Wohnungserbbaurechte zu den im ursprünglichen Kauf- und Auflassungsvertrag vom 1.10.1996 vereinbarten Konditionen mit Ausnahme des nunmehr drei Monate später zu zahlenden Kaufpreises an den Gesellschaftergeschäftsführer der Klägerin, Herrn M.
Mit Schreiben vom 6.6.1997 beantragte die Klägerin daraufhin gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 27.6.1997 ab, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht vorlägen und der angefochtene Steuerbescheid nicht zu beanstanden sei. Aufgrund der beibehaltenen Konditionen des Ursprungsvertrages sei tatsächlich kein neuer Vertrag ausgehandelt worden und die Veräußerer hätten bei Abschluß des neuen Kauf- und Übertragungsvertrages ihre ursprüngliche Rechtsstellung wegen der in diesem Zeitpunkt noch zugunsten der Ersterwerberin bestehenden Auflassungsvormerkungen auch nicht zurückerhalten. Zwar sei die drohende Insolvenz der Klägerin möglicherweise ein wesentlicher Grund für die Rückabwicklung gewesen, diese belege jedoch nicht, daß die Veräußerer nach der Rückübertragung unbeschränkt über die Grundstücke haben verfügen und diese ohne Einverständnis der Klägerin haben veräußern können. Er wertete vielmehr den neuen Vertrag als Vertragsbeitritt.
Die am 7.7.1997 beim Gericht eingegangene Sprungklage gegen die Ablehnung des Antrages auf Aufhebung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wurde mangels fristgerechter Zustimmung des Finanzamtes gemäß § 45 Abs. 2 FGO in einen Einspruch umgewandelt. In seiner Einspruchsentscheidung vom 22.5.1998 führte der Beklagte aus, daß die Anwendung des § 16 GrEStG voraussetze, daß der Vertrag in der Weise rückgängig gemacht werde, daß beide Parteien aus den vertraglichen Verpflichtungen entbunden würden und der Veräußerer seine Rechtsstellung in vollem Umfange zurückerhalten habe. Im Streitfall hätten demgegenüber die Beteiligten zum selben Zeitpunkt und in einer Urkunde den ursprünglichen Erwerb aufgehoben und vereinbart, daß anstelle der Klägerin deren Gesellschaftergeschäftsführer zu – mit Ausnahme der Fälligkeit – gleichen Konditionen den Kaufgegenstand erwerbe. Dies lasse darauf schließen, daß kein vollständig neuer Vertrag geschlossen worden sei. Hinzu komme, daß zu Gunsten der Klägerin noch Auflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen gewesen seien. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 29.6.1976 (BStBl. II 1977, 87) die Anwendung des § 17 GrEStG a.F., jetzt § 16 GrEStG, in dem Fall versagt, daß nach Aufhebung des Kauf- und Übertragungsvertrages an eine GmbH der Mehrheitsgesellschafter die streitb...