Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücktritt vom Anteilsveräußerungsvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage als rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Erklären die Beteiligten eines GmbH-Anteilsverkaufs sechs Jahre nach der Anteilsveräußerung wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Folge der 1997 noch unvorhersehbaren steuerlichen Auswirkungen einer Ausschüttung aus dem EK 04 für die Anschaffungskosten der Beteiligung und damit auf die Höhe eines Veräußerungsgewinns i. S. d. § 17 EStG (vgl. BFH v. 20.4.1999, VIII R 44/96, BStBl II 1999, 698) den Rücktritt vom Veräußerungsvertrag, liegt ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor, welches die steuerliche Erfassung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung gem. § 17 EStG beseitigt.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BGB § 313
Nachgehend
Tenor
Abweichend von dem Bescheid für 1997 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom … Dezember 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … September 2004 sind bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens bei der Klägerin keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 550.640,00 DM aufgrund eines tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 28.957,00 EUR.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns der Klägerin im Jahr 1997 streitig.
Die mit dem Kläger zusammen veranlagte Klägerin erzielte im Streitjahr neben den streitigen Einkünften aus Gewerbebetrieb negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Vermietung und Verpachtung sowie positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin war von Anfang an Gesellschafterin der am 21. Januar 1991 gegründeten J. GmbH (= GmbH), die durch Umwandlung aus der LPG – Tierproduktion – … hervorgegangen ist. Am Stammkapital der GmbH von 227.000,00 DM waren 104 Gesellschafter beteiligt. Die Stammeinlage der Klägerin betrug 3.000,00 DM. Bis zum 30. Juni 1996 schieden mit Ausnahme der Klägerin und den Gesellschaftern L. und S. alle anderen Gesellschafter aus der GmbH aus. Die ausgeschiedenen Gesellschafter wurden von der GmbH nach Maßgabe der Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes ausbezahlt. Die verbliebenen drei Gesellschafter übernahmen keine Geschäftsanteile von den ausgeschiedenen Gesellschaftern und erbrachten für deren Ausscheiden keine Leistungen.
Die Beteiligungsverhältnisse stellten sich nach dem 30. Juni 1996 wie folgt dar:
Klägerin: |
3.000,00 DM |
L.: |
1.900,00 DM |
S.: |
800,00 DM |
eigene Anteile der GmbH: |
221.300,00 DM |
Stammkapital: |
227.000,00 DM. |
Die verbliebenen drei Gesellschafter der GmbH gründeten vor dem Streitjahr eine GbR.
Die GmbH veräußerte zum Buchwert das für die Landwirtschaft benötigte Betriebsvermögen einschließlich Vieh an die GbR. Die GmbH gewährte den verbliebenen drei Gesellschaftern Kredite, mit denen die Betriebskosten der GbR beglichen wurden. Die Darlehen betrugen zum 01. Juli 1996 in der Bilanz der GmbH 1.449.428,16 DM und verteilten sich auf die Gesellschafter wie folgt:
Klägerin: |
596.662,98 DM |
L.: |
596.662,98 DM |
S.: |
256.102,20 DM. |
Mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 20. Dezember 1996 wurde beschlossen, aus dem EK 04 1.133.693,67 DM auszuschütten und mit den Ausleihungen an die jeweiligen Gesellschafter zu verrechnen. Dadurch wurde das Darlehen an die Klägerin in vollem Umfang getilgt.
Mit dem notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Juni 1997 veräußerte die Klägerin ihren in Teilgeschäftsanteile von 2.100,00 DM und 900,00 DM aufgeteilten Geschäftsanteil zum Gesamtpreis von 13.750,00 DM an die beiden übrigen Gesellschafter. Die GmbH stimmte der Veräußerung zu. Die Kaufpreise waren am Tage der Beurkundung bis 24:00 Uhr fällig. Das Gewinnbezugsrecht ging mit Wirkung vom Beurkundungstag an die Erwerber über. Unter 5. ist Folgendes geregelt:
„Die mit dieser Urkunde und ihrem Vollzug verbundenen Kosten und die evt. Steuern fallen der Gesellschaft zur Last.”
Der Beklagte berücksichtigte zunächst im geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 bei der Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 596.662,00 DM. Im dagegen eröffneten Einspruchsverfahren änderte der Beklagte mit dem Bescheid vom … Dezember 2003 die Einkommensteuerfestsetzung insoweit, als keine Gewinnausschüttung aus dem EK 04 und damit keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei der Klägerin berücksichtigt wurden.
Den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 1997 vom … März 1999 änderte der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit...