rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerspflicht des Veräußerungsgewinns einer Kapitalgesellschaft. Gewerbesteuermeßbetrag 1994
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob bei einer Kapitalgesellschaft der Gewinn aus der Veräußerung ihres Betriebs der Gewerbesteuer unterliegt.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der S. GmbH (im folgenden: S.), die mit Beschluß vom 7.8.1997 auf die Klägerin verschmolzen worden ist.
Gegenstand des Unternehmens der S. war der Betrieb eines Augenoptikerfachgeschäfts.
Im Dezember 1994 veräußerte die S. ihren gesamten Geschäftsbetrieb mit allen Einrichtungen und Waren unter gleichzeitiger Ablösung der wesentlichen Bankverbindlichkeiten. In der Bilanz zum 31.12.1994 waren nunmehr verschiedene Forderungen und Verbindlichkeiten ausgewiesen.
Im Streitjahr (1994) erzielte die S. einen Gewinn von insgesamt 352.638 DM. Darin war der Gewinn aus der Geschäftsveräußerung mit 376.261 DM enthalten. In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr ließ die S. diesen Gewinn außer Ansatz. Demgegenüber berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt – FA–) im Bescheid für 1994 über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag den gesamten Gewinn (Bescheid vom 20.8.1996). Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 27.11.1996 beantragte die S., den Bescheid gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) „in der Form zu ändern, daß der in dem Gewerbeertrag enthaltene Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 376.261 DM aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb herausgerechnet wird”.
Das FA lehnte den Antrag am 7.2.1997 ab und bezog sich dazu auf Abschn. 39 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abschn. 41 Abs. 2 Satz 1 der Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR). Danach gehört einer Kapitalgesellschaft der Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs zum Gewerbeertrag.
Dagegen erhob die Klägerin am 19.2.1997 unmittelbar Sprungklage zum Finanzgericht. Zur Begründung führt sie aus, es sei unstreitig, daß bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen durch eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn nicht der Gewerbesteuer unterliege. Dagegen solle bei Kapitalgesellschaften der Gewinn aus der Geschäftsveräußerung im Ganzen gewerbesteuerpflichtig sein (Abschn. 39 Abs. 3, Abschn. 41 Abs. 2 GewStR). Die Einschränkungen werden nicht begründet und sei auch nicht begründet, da § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auf den Werbenden, stehenden Gewerbebetrieb abstelle und nicht danach differenziere ob dieser von einer natürlichen Person oder einer Kapitalgesellschaft betrieben werde. Diese Auffassung werde durch eine historische Gesetzesauslegung bestätigt. Es sei nicht entscheidend, ob mit der Veräußerung der Betrieb beendet werde. Auch der bei der Veräußerung eines Teilbetriebs erzielte Gewinn unterliege nicht der Gewerbesteuer, obwohl mit dem nach Veräußerung des Teilbetriebs verbleibenden Betriebsvermögen ein Gewerbebetrieb fortgesetzt werde. Entscheidend sei also die funktionale Beendigung eines Betriebs oder Teilbetriebs durch den Unternehmer. Für die Gewerbesteuerfreiheit komme es folglich nur darauf an, ob mit der Veräußerung die Voraussetzungen des § 16 e EStG erfüllt seien. Für Kapitalgesellschaften könne nichts anderes gelten. Veräußere eine Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb im Ganzen, ende hierdurch – wie bei einer Personengesellschaft, die einen Teilbetrieb veräußere – nicht ihre Gewerbesteuerpflicht, allerdings rechne der Gewinn aus der Geschäftsveräußerung im Ganzen trotzdem nicht zu deren Gewerbeertrag. Die Behandlung der Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen spreche ebenfalls dafür, die Veräußerungsgewinne aus der Geschäftsveräußerung im Ganzen durch eine Kapitalgesellschaft Gewerbesteuer frei zu belassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setze der Gewerbeertrag das Bestehen eines Betriebs voraus; durch den Veräußerungsvorgang falle aber der zu besteuernde Betrieb fort. Die Einbeziehung des Veräußerungsgewinns in den Gewerbeertrag hätte die Wirkung, daß nicht nur der Ertrag des zu veranlagenden Wirtschaftsabschnitts gewerbesteuerlich erfaßt würde. Schließlich enthalte das GewStG auch keinen eigenen gewerbeertragsteuerlichen Entstrickungstatbestand, nachdem eine Gewerbebesteuerung der in einem Betriebsvermögen gebundenen stillen Reserven geboten wäre. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze vom 19.2.1997 sowie vom 23.5.1997 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Gewerbesteuermeßbescheids 1994 vom 20.8.1996 den maßgebenden Gewerbeertrag in Höhe eines Fehlbetrags von DM ./. 10.881,00 festzusetzen.
Das FA hat der Sprungklage im Schriftsatz vom 20.3.1997 zugestimmt. Es beantragt, die Klage abzuweisen. Auf den Schriftsatz vom 23.4.1997 wird Bezug genommen.
Während des Klageverfahrens hat das FA den Vorbehalt ...