Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der Einschränkung der Anwendung des § 181 Abs. 5 AO bei Verlustfeststellungen durch § 10d Abs. 4 S. 6 i. V. m. § 52 Abs. 25 S. 5 EStG i. d. F. des JStG 2007
Leitsatz (redaktionell)
Die Norm, wonach bei Verlustfeststellungen, für die die Feststellungsfrist im Zeitpunkt des Inkrafttretens des JStG 2007 noch nicht abgelaufen ist, § 181 Abs.5 AO nur anzuwenden ist, wenn das FA die Verlustfeststellung pflichtwidrig unterlassen hat, verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot.
Normenkette
EStG Fassung: 13.12.2006 § 10d Abs. 4 S. 6; EStG Fassung: 13.12.2006 § 52 Abs. 25 S. 5; AO § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 169 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger studierte im Zeitraum von April 1998 bis April 2006 und nahm im Anschluss daran eine nichtselbständige Beschäftigung auf.
Mit Fax vom 21. Dezember 2007 beantragte er wegen der Studienkosten in den Jahren 1998 bis 2002 die Durchführung von Verlustfeststellungen zur Einkommensteuer, u.a. zur Einkommensteuer 1999. In der gleichzeitig eingereichten Einkommensteuererklärung für 1999 machte der Kläger Kosten für das Studium in geschätzter Höhe von 9.960 DM als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte mit Bescheid vom 17. April 2008 die Durchführung einer Verlustfeststellung zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999 ab, da die Werbungskosten nicht nachgewiesen worden seien.
In dem hiergegen eingelegten Einspruch wurden die geltend gemachten Aufwendungen mit insgesamt 11.584 DM beziffert.
Am 20. Dezember 2010 erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999. Der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 16.639 DM wurde zum 31. Dezember 1999 fortgeführt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2011, auf die ergänzend verwiesen wird, wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung der Durchführung einer Verlustfeststellung zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999 vom 17. April 2008 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2010 als unbegründet zurück. Die Feststellungsfrist sei im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags abgelaufen gewesen. Die Regelung des § 10d Abs. 4 S. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) gelte gemäß § 52 Abs. 25 S. 5 EStG für den Veranlagungszeitraum 1999. Die Feststellungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet und sei somit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 am 19. Dezember 2006 (BGBl I S. 2878) noch nicht abgelaufen gewesen. Da die Nichtdurchführung der Verlustfeststellung nicht auf einem pflichtwidrigen Unterlassen des FA beruht habe, finde § 181 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) im Streitfall keine Anwendung. Die Neuregelung des § 10d Abs. 4 S. 6 EStG beinhalte keine unzulässige Rückwirkung.
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage führt der Kläger im Wesentlichen an, dass nach § 10d EStG alte Fassung die Verlustfeststellung unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist möglich gewesen sei. Ein Verlustvortrag zum 31. Dezember 1999 i.H.v. 11.584 DM (unter Fortschreibung des Verlustvortrags zum 31. Dezember 1998 i.H.v. 16.639 DM) wäre über die Veranlagungsjahre 2000 ff auf den Veranlagungszeitraum 2007 vorzutragen und würde eine Steuererstattung (Einkommensteuer/Solidaritätszuschlag) in Höhe von 2.543 Euro auslösen. § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 beinhalte eine unzulässige echte Rückwirkung. Der Lebenssachverhalt des Studierens und der Erzielung von negativen Einkünften sei bereits in dem Veranlagungszeitraum 1999 und damit im Zeitpunkt der Gesetzesänderung abgeschlossen gewesen. Zu dieser Einschätzung sei auch der 5. Senat des Finanzgerichts (FG) München in seinem Beschluss vom 14. August 2007 (5 V 1558/07) gekommen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17. April 2008 und Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999 vom 20. Dezember 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. April 2011 den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 1999 auf 28.223 DM festzustellen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Es fand mündliche Verhandlung statt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 3. Juni 2014 wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat zu Recht in dem Bescheid vom 20. Dezember 2010 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteue...