Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verjährung der Haftungsinanspruchnahme vor Verjährung der Steuer, für die gehaftet wird, auch wenn diese bereits festgesetzt ist. Haftung für Umsatzsteuer 1989
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Ablauf der Festsetzungsfrist für den Erlass eines Haftungsbescheides gilt gemäß § 191 Abs. 3 Satz 4 AO die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO sinngemäß. Dies bedeutet, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid gehemmt ist, soweit und solange in offener Festsetzungsfrist ein Steuerbescheid bezüglich „der Steuer, für die gehaftet wird”, noch zulässig ergehen kann.
2. Dem Sinn dieser Regelung entspricht es auch, der Finanzbehörde unbeschadet der grundsätzlichen Trennung von Steuerfestsetzungsverjährung und Haftungsverjährung die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners in jedem Fall nach Maßgabe der tatsächlich und endgültig festgesetzten Steuer zu ermöglichen.
3. § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ist in seiner zweiten Alternative auch auf Steuerbescheide anwendbar, die außerhalb des regulären Ablaufs der Haftungsverjährung ergehen.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 3 S. 4 Alt. 2, § 171 Abs. 10
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger als Geschäftsführer der … GmbH (im Folgenden: GmbH) für deren Umsatzsteuerrückstände 1989 haftet.
Die vorgenannte GmbH wurde am 5.4.1989 unter dem Namen „… GmbH (…)” gegründet und am … in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger war seit 5.4.1989 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter.
Im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren für 1989 ließ sich die GmbH Vorsteuern in Höhe von insgesamt 254.948,20 DM vergüten (vgl. Bl. 31 USt 1989).
Auf Grund von Fristverlängerung war die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1989 erst bis 31.5.1991 abzugeben.
Am 30.10.1991 erließ das FA, da die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1989 nicht eingegangen war, einen Schätzungsbescheid, mit dem es die Umsatzsteuer für 1989 auf einen negativen Betrag von 215.000 DM festsetzte, der zu einem Vorsteuerrückforderungsanspruch von 39.948,20 DM führte.
Am 15.5.1992 ging die Umsatzsteuer-Erklärung der GmbH mit einer negativen Umsatzsteuer von 279.110,85 DM beim FA ein.
Das FA folgte dieser Erklärung nicht, sondern erließ am 9.3.1993 auf Grund von Ermittlungen der Zollfahndung und eines Umsatzsteuerprüfungsberichtes einen Änderungsbescheid, in dem es vor allem die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 iVm § 6 Umsatzsteuergesetz 1980 (UStG) für Umsätze in Höhe von 2.415.241 DM (Umsatzsteuer daraus 296.608 DM) versagte und die Umsatzsteuer für 1989 auf 42.238 DM festsetzte. Dieser Bescheid führte zu einer Nachzahlung von 297.276,20 DM (und damit einer Rückforderung der vergüteten Vorsteuer insgesamt). Dagegen legte die GmbH am 22.3.1993 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 31.7.1998 wies das FA den Einspruch der GmbH gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1989 als unbegründet zurück. Dagegen erhob die GmbH am 2.9.1998 beim Finanzgericht München Klage.
Nach Einleitung des Haftungsprüfungsverfahrens am 8.2.1999 erließ das Finanzamt dem Kläger gegenüber am 11.6.1999 einen Haftungsbescheid, in dem es ihn für rückständige Steuern (u.a. Umsatzsteuer 1989) und steuerliche Nebenleistungen der GmbH in Höhe von insgesamt 359.305 DM in Anspruch nahm.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 17.1.2002 Az.: 14 K 3838/98, das der GmbH am 29.1.2002 zugestellt wurde, wies das FG München die Klage der GmbH (gesetzlich vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer) gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1989 ab. Auf die Rechtsausführungen und tatsächlichen Feststellungen in diesem Urteil wird verwiesen.
Auf den Einspruch des Klägers setzte das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 7.1.2003, auf die im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, die Haftungsschuld auf 254.948 DM = 130.352,84 EUR herab, wobei es den Kläger nurmehr „für die zu Unrecht erstattete Umsatzsteuer 1989” in Anspruch nahm.
Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung trägt der Kläger vor, mangels Verschulden sei die Haftungsinanspruchnahme unzulässig. Zur Zeit der Geltendmachung und Prüfung des Umsatzsteuer-Erstattungsanspruches habe der buchmäßige Nachweis vorgelegen. Hilfsweise sei der Grundsatz der anteiligen Tilgung anzuwenden, der zu einem Ausschluß der Haftung des Klägers führe. Denn zur Zeit der Bestandskraft der maßgeblichen Steuerfestsetzung mit Urteil des FG München vom 17.1.2002 sei die GmbH bereits zahlungsunfähig gewesen. Auch bei fristgemäßer Abgabe der Steuererklärung zum 31.5.1991 wäre die Steuerfestsetzung allenfalls ein Jahr früher bestandskräftig geworden.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 17.9. und 18.11.2003 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 11.6.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.1.2003
aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auf dessen Schriftsätze vom 9.10. und 18.11...