Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der im Rahmen von Betriebsführungsverträgen von Schwestergesellschaften gezahlten Arbeitslöhne in die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags des Unternehmens im Billigkeitswege nach § 33 GewStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Überträgt ein Unternehmen (Betriebsunternehmen im Rahmen einer Besitzaufspaltung) mit „Betriebsführungsverträgen” seine Produktionsbetriebe und das Personal auf Schwestergesellschaften als Betriebsführungsgesellschaften, wobei formal die Arbeitsverhältnisse und das Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern auf die Schwestergesellschaften übergehen, das Unternehmen aber den Schwestergesellschaften die Kosten für die Arbeitnehmer zu ersetzen hat, sämtliche Aufwendungen und Erträge weiter dem Unternehmen zustehen und den Schwestergesellschaften lediglich ein Betriebsführungsentgelt in Höhe von 0,3% der Löhne verbleibt, so wäre es sachlich unbillig i. S. d. § 33 GewStG, die Arbeitslöhne der in den Betriebsführungsgesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer nicht in den Zerlegungsmaßstab des Unternehmens für den Gewerbesteuermessbetrag einzubeziehen (vgl. BFH-Rspr. zur Gewerbesteuerzerlegung).
2. Ein besonderer Fall i.S. d. § 33 GewStG liegt nur dann vor, wenn aufgrund der –atypischen– Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird und die (nachteiligen) Auswirkungen einer Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG von wesentlicher Bedeutung sind. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn sich lediglich aufgrund der rechtlichen Neustrukturierung eines Unternehmens, ohne wesentliche Änderung in Produktion und wirtschaftlicher Betätigung, die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags erheblich zu Lasten der Gemeinden ändert, in denen die Arbeitnehmer von Produktionsgesellschaften beschäftigt sind, obgleich diese Gemeinden die Arbeitnehmerfolgekosten unverändert zu tragen haben und die Beschäftigten der Produktionsbetriebe zu einem nicht unerheblichen Anteil zum Betriebsergebnis des Unternehmens beigetragen haben.
Normenkette
GewStG § 33 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Sätze 1-2, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1; LStDV § 1 Abs. 2; AO § 12
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist der Zerlegungsmaßstab für den Gewerbesteuermessbetrag der X.
Die X bildete den operativen Kern der X Gruppe. Das operative Geschäft der X teilte sich im Wesentlichen auf zwei Geschäftsbereiche auf.
Es bestand eine Betriebsaufspaltung. Besitzunternehmen war die X Beteiligung GbR. Als Betriebsunternehmen fungierte die X. Im Jahr 2010 übertrug die X im Rahmen einer Neuordnung der Unternehmensstruktur die Produktionsbetriebe auf drei Schwesterkapitalgesellschaften,
die X S GmbH,
die X U GmbH und
die X N GmbH
und schloss mit den Gesellschaften jeweils Betriebsführungsverträge ab. In den Vereinbarungen, als „unechte Betriebsführungsverträge” bezeichnet, verpflichteten sich die Schwestergesellschaften als Teilbetriebe der X, jeweils einen der Produktionsbetriebe der X AG im eigenen Namen, jedoch für Rechnung und auf Gefahr der X AG zu führen (Präambel D. und § 2 Nr. 1 der jeweiligen Betriebsführungsverträge). Gewinnabführungsverträge nach § 291 Aktiengesetz (AktG) schlossen die Gesellschaften nicht.
Die Betriebsführungsgesellschaften trafen mit eigenem Personal und alleiniger und weisungsfreier Verantwortung sämtliche Arbeitgeberentscheidungen (§ 1 Nr. 1 und § 2 Nr. 4 Betriebsführungsvertrag) und waren Arbeitgeber des bei ihnen angestellten Personals (§ 4 Nr. 1 Betriebsführungsvertrag).
In den Betriebsführungsverträgen war in § 4 Nr. 3 die Übernahme der Arbeitnehmer nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die bisher im Dienste der X AG standen, durch die Betriebsführungsgesellschaften vereinbart. Den Betriebsführungsgesellschaften als Arbeitgeber stand das arbeitsrechtliche Direktions- und Weisungsrecht im eigenen Namen zu. Zivilrechtlicher Schuldner der Löhne waren die Produktionsgesellschaften; diese hatten wiederum insoweit gegen die X AG einen Freistellungsanspruch (§ 6 Nr. 4 Betriebsführungsvertrag).
Für die Durchführung der Betriebsführung erhielten die Betriebsführungsgesellschaften eine jährliche Vergütung in Höhe von 0,3 % des Gesamtbruttolohns (§ 6 Nr. 1 Betriebsführungsvertrag).
Im Rahmen dieser Neustrukturierung hatte die X beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft u. a. zu der Frage beantragt, dass die Betriebsführungsgesellschaften Teilbetriebe der X SE bleiben. Zur Begründung führte die X aus, dass die Wirtschaftsgüter im Eigentum der X bleiben würden. Zwar komme es zu einem Wechsel der Arbeitsverhältnisse auf die Betriebsführungsgesellschaften. Die X SE habe aus den Betriebsführungsverträgen ein allgemeines Weisun...