Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von Schulgeld für den Besuch einer deutsch-französischen Schule im Inland
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Qualifizierung einer Schule als Ersatzschule oder Ergänzungsschule im Einzelfall ist nicht den Finanzbehörden oder Finanzgerichten überlassen. Diese sind vielmehr an die Entscheidungen der hierfür zuständigen obersten Kultusbehörden der Länder gebunden.
2. Die Aufnahme einer deutsch-französischen Schule in das Verzeichnis der entsprechend dem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über den gleichzeitigen Erwerb der deutschen Allgemeinen Hochschulreife und des französischen Baccalauréat vom 31.5.1994 teilnehmenden Schulen stellt keine einer Anerkennung seitens der Kultusministerkonferenz oder durch einen entsprechenden staatlichen Akt des Bundesgesetzgebers gleichwertige Einbeziehung dieser Schule in das öffentliche deutsche Schulwesen dar.
3. Die Versagung des Sonderausgabenabzugs der Schulgeldzahlungen für den Besuch der im Inland belegenen deutsch-französischen Schule in den Streitjahren 2003 und 2004 verstößt nicht deshalb gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht oder Verfassungsnormen, weil ein entsprechender Abzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 i. V. m. § 52 Abs. 24b S. 2 EStG in der Fassung durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 dann möglich wäre, wenn die Schule in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat belegen wäre, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) anzuwenden ist.
4. Der Zweck der Begünstigung bestimmter Privatschulen rechtfertigt grundsätzlich auch die – nur als Reflex auftretenden – Ungleichbehandlungen der schulgeldleistenden Steuerpflichtigen.
Normenkette
EStG 2002 § 10 Abs. 1 Nr. 9; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9 Fassung: 2006-12-13, § 52 Abs. 24b S. 2 Fassung: 2008-12-19; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 4; EG Art. 49
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind verheiratet und wurden für die Streitjahre 2003 und 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihren Einkommensteuererklärungen für diese Jahre erklärten die Kläger jeweils u.a. für den Schulbesuch ihres im Jahr 1992 geborenen Sohnes … (Sohn) angefallene Schulgeldzahlungen in Höhe von … für 2003 bzw. in Höhe von … für 2004 (Schulgeldzahlungen). Ihr Sohn hatte in den Streitjahren die 5. (angefallene Schulgelder bis Juni 2003: …), 6. (ab September 2003) und 7. Klasse der deutsch-französischen Schule … (Schule) besucht.
Der Beklagte (das Finanzamt) berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden für 2003 vom … bzw. für 2004 … von diesen Schulgeldzahlungen lediglich den für den Schulbesuch der 5. Klasse angefallenen Betrag in Höhe von …. Die hiergegen eingelegten Einsprüche der Kläger wurden mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurückgewiesen. Die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 wurden aus nicht streiterheblichen Gründen mit Bescheiden vom … (festgesetzte Einkommensteuer für 2003: …, für 2004: …) geändert.
Mit ihrer mit Schreiben vom … erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin, auch 30 v.H. der ab September 2003 angefallenen Schulgeldzahlungen jeweils als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Zur Begründung verweisen die Kläger im Wesentlichen und zum Teil sinngemäß auf folgende Punkte:
Auch wenn die Schule hinsichtlich der von ihrem Sohn in den Streitjahren besuchten Jahrgangsstufen 6 und 7 nach den maßgeblichen Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) weder eine erlaubte Ersatzschule noch eine anerkannte Ergänzungsschule sei, seien die streitigen Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Die Schule habe aufgrund eines am 31. Mai 1994 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik abgeschlossenen „Staatsvertrages” (Abkommen) einen besonderen schulrechtlichen Status und sei damit den deutschen öffentlichen Schulen gleichgestellt. Ihr Besuch ermögliche den gleichzeitigen Erwerb der deutschen Allgemeinen Hochschulreife und des französischen Baccalaureat. Mit Schreiben vom … habe die französische Botschaft der Schule bestätigt, dass sie nachträglich in das Verzeichnis der entsprechend dem Abkommen beteiligten Schulen aufgenommen worden sei. Zum Nachweis, dass die Schule in den genannten „Staatsvertrag” einbezogen worden sei, werde die Einholung einer Auskunft der Geschäftsstelle der Kultusministerkonferenz (KMK) beantragt.
Das Abkommen sehe unter Art. 4 Abs. 9 vor, dass für Koordinierungsfragen die deutschfranzösische Expertenkommi...