Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung einer zuckersirupartigen, aromatischen Flüssigkeit. Widerruf von verbindlichen Zolltarifauskünften
Leitsatz (amtlich)
Zubereitungen in Form einer wässrigen Lösung, bestehend aus 84 % Wasser, ca. 16 % Zucker, 0,5 % Zitronensäure und Aromastoffen, sind nicht als Getränke in die Unterposition 2202 1000, sondern als Zwischenerzeugnis für die Lebensmittelindustrie in die Unterposition 2106 1090 der Lombinierten Nomenklatur einzureihen.
Normenkette
KN Unterposition 2106 1090; KN Unterposition 2202 1000
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht die der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte widerrufen hat, weil die Produkte, die von der Klägerin eingeführt werden, keine Getränke, sondern Lebensmittelzubereitungen seien.
Die Beklagte erteilte der Klägerin auf deren Anträge vom 26. November 1997 bzw. 29. Juli 1998 die vier verbindlichen Zolltarifauskünfte (VZTA) Nrn. DE M/A 233–235/98/01– 01 vom 1. April 1998 und DE M/A 603/98/01-01 vom 7. September 1998 über Getränkezubereitungen, bestehend aus 84 % Wasser, ca. 16 % Zucker und 0,5 % Zitronensäure bzw. ca. 0,5 % Zitronensäure und Limettenaroma bzw. ca. 0,5 % Zitronensäure mit Tropical-Rhabarber-Aromen und reihte die Erzeugnisse als Getränke, Wasser mit Zusatz von Zucker und Aromastoffen in die Unterposition 2202 10 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) ein. Mit Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. September 1998 wurde die Beklagte angewiesen, diese verbindlichen Zolltarifauskünfte umgehend aufzuheben, weil derartige Erzeugnisse nicht die Beschaffenheitsmerkmale von Getränken aufwiesen, sondern vielmehr Zwischenerzeugnisse für die Lebensmittelindustrie darstellten, die der Tarifposition 2106 zuzuweisen seien. Die VZTA wurden deshalb von der Beklagten mit den Bescheiden vom 30. September 1998 nach Art. 9 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2913/92 vom 12. Oktober 1992 (Zollkodex –ZK–) widerrufen.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 10. März 1999 am 14. April 1999 Klage, mit der sie im wesentlichen folgendes geltend macht:
Die drei VZTA vom 1. April 1998 seien jeweils von der nicht verklagten OFD München erteilt worden, die Widerrufe aller vier VZTA erfolgten jedoch von der Beklagten (OFD Nürnberg). Die Beklagte sei deshalb für den Widerruf der drei VZTA vom 1. April 1998 nicht zuständig gewesen.
Auch würden die Voraussetzungen für einen Widerruf gemäß Art. 9 Abs. 1 ZK nicht vorliegen. Die Klägerin habe von Anfang an ausreichende Angaben und Unterlagen geliefert, der Widerruf sei nur auf Weisung des Bundesministeriums der Finanzen erfolgt. Der Sachverhalt habe sich also überhaupt nicht geändert, sondern nur die rechtliche Tarifierungsauffassung. Dies sei jedoch keine Voraussetzung, die den Widerruf einer bestandskräftig erteilten VZTA nach Art. 9 Abs. 1 ZK rechtfertigen könnte.
Die strittigen Produkte seien in die Position 2202 10 00 'Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen” einzureihen. Die Ware sei zum menschlichen Genuß geeignet (tauglich) und trinkbar, auch unmittelbar. Dem Wortlaut der Unterposition 2202 10 lasse sich nicht entnehmen, daß der Tarifierungsbegriff „Getränk” nur einen konkreten (tatsächlichen), ausschließlichen oder unmittelbaren Verwendungszweck zum Inhalt habe, wie z. B. „Fertiggetränk” oder „zur unmittelbaren Verwendung als Getränk”. Auch ein im Vergleich zu Limonaden deutlich höherer Zuckergehalt schließe eine Einreihung in die Position 2202 nicht aus, da sich aus dem Wortlaut dieser Position keine Unter- oder Obergrenzen hinsichtlich des Umfangs des Zusatzes von Zucker ergeben.
Das Abstellen auf einen Bestimmungs- oder Verwendungszweck würde der EuGH-Rechtsprechung widersprechen, wonach auf den Verwendungszweck einer Ware bei der Tarifierung nur dann abgestellt werden dürfe, wenn im Wortlaut der Position oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen werde. Aus Anmerkung 1. zum Kapitel 22 ergebe sich positiv, ebenso wie aus RdNr. 02.0 der Erläuterungen zur KN, im Umkehrschluß bzw. als Leitgedanke für die Erzeugnisse des Kapitels 22, daß sie „unmittelbar trinkbar” bzw. „zum Trinken geeignet” sein müssen. Die Erzeugnisse seien dadurch charakterisiert, daß sie in Tanklastwagen angeliefert und nach der Einfuhrabfertigung zu einem Verarbeitungsbetrieb weitertransportiert würden, der die Funktion Lagerung, Umfüllung, Be- oder Verarbeitung, Abpacken bzw. Herstellen für die Aufmachung zum Einzelverkauf übernehme. Die einzureihenden Erzeugnisse stellten in der konkreten Aufmachungsform im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung tatsächlich noch kein „Fertiggetränk” in dem Sinne dar, daß sie in derselben, identischen Zusammensetzung/Beschaffenheit, ohne weitere Behandlung oder Zusätze, unmittelbar dem...