Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielgeräten
Leitsatz (redaktionell)
1. Von der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG werden Erlöse aus dem Betrieb von Geldspielautomaten als "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" nicht erfasst.
2. Die Regelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG verstößt weder gegen die Vorgaben der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie noch gegen die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 noch gegen andere höhergesetzliche Vorgaben.
Normenkette
MwStSystRL Art. 135 Abs. 1 Buchst. i; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der ab dem 6. 5. 2006 geltenden Fassung europarechtskonform ist und ob Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in unmittelbarer Anwendung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen (Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem –MwStSystRL–) von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist Automatenaufstellerin. Sie erzielte in den Streitjahren 2007 bis 2010 Umsätze u.a. aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.
In ihren Umsatzsteuer(USt)-Erklärung für 2007 erklärte sie jeweils neben geringen steuerpflichtigen Umsätzen steuerfreie Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielen mit Geldeinsatz. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung (Bp-Bericht vom 15. 10. 2008) behandelte der Beklagte die erklärten steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig und berücksichtigte im USt-Bescheid für 2007 vom 24. 10. 2008 zudem weitere Vorsteuern. Der USt-Erklärung für 2008, in der die Klägerin die Umsätze aus Geldspielautomaten als steuerpflichtig erklärte, stimmte der Beklagte zu (Mitteilung vom 22. 12. 2009 bzw. 7. 1. 2010). Zugleich reichte die Klägerin einen Einspruch sowie eine berichtigte USt-Erklärung ein, in der sie die Geldspielautomatenumsätze als steuerfrei erklärte.
Für 2009 reichte die Klägerin am 26. 1. 2011 eine als „berichtigt” gekennzeichnete USt-Erklärung ein, in der sie wiederum die Geldspielautomatenumsätze als steuerfrei behandelte. In einer der USt-Erklärung beigefügten Anlage führte sie aus, dass noch nicht geklärt sei, ob die am 6. 5. 2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit EU-Recht vereinbar sei. In einer (weiteren) Anlage, auf die Bezug genommen wird, hatte sie jeweils die steuerpflichtigen und ihrer Meinung nach steuerfreien Umsätze aufgeführt und eine Aufteilung der Vorsteuern entsprechend dem Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den Gesamtumsätzen vorgenommen. Zudem reichte die Klägerin am 27. 1. 2011 eine USt-Erklärung für 2009 ein, in der sie die Geldspielautomatenumsätze als steuerpflichtig erklärte.
Der Beklagte setzte die USt 2009 mit Bescheid vom 24. 2. 2011 entsprechend der am 27. 1. 2011 eingereichten Erklärung fest.
Die USt-Erklärung für 2010, in der die Klägerin die Umsätze aus Geldspielautomaten als steuerpflichtig erklärte, stand mit Eingang (30. 12. 2011) einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Gegen die USt-Festsetzungen 2007 bis 2009 legte die Klägerin jeweils gesondert Einsprüche ein, nachdem sie zuvor bereits gegen die USt-Voranmeldungen Einsprüche eingelegt hatte, die sie jedoch teilweise wieder zurückgenommen hatte. Die USt-Festsetzung 2010 wurde zum Gegenstand der Einspruchsverfahren gegen die USt-Voranmeldungen Januar bis Dezember 2010 (Einspruch vom 19. 12. 2011).
Zur Begründung ihrer Einsprüche machte sie geltend, dass ihre Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten entgegen der Auffassung des Beklagten von der USt befreit seien.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 7. 3. 2014 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Daraufhin hat die Klägerin am 1. 4. 2014 die vorliegende Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten nach den rechtlichen Vorgaben von Art. 135 Buchst. i i.V.m. Art. 401 der MwStSystRL zwingend von der USt zu befreien seien. Die Richtlinienbestimmungen seien aufgrund der fehlerhaften Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber unmittelbar anwendbar. Sie berufe sich unmittelbar auf die gemeinschaftsrechtliche Mehrwertsteuerbefreiung ohne Recht auf Vorsteuerabzug. Aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts dürften entgegenstehende Bestimmungen bzw. Gesetze des nationalen Rechts nicht angewandt werden.
Gem. § 6 Abs. 1 der Verordnung über öffentliche Spielbanken (SpielbkV 1938), der auch heute noch geltendes Recht sei, seien öffentliche Spielbanken – im Widerspruch zur aktuellen Gesetzesfassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG – noch immer von der USt befreit, während sie, die Klägerin, ihre Geldspielautomatenumsätze umsatzversteuern müsse. Aufgrund dessen liege nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Linneweber (Urteil vom 17. 2. 2005 C-453-02 und C-462/02, EU:C:2005:92, Slg...