Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Einspruchs gegen einen ESt-Nullbescheid, Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 4 EStG bei offener Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Einspruch gegen einen ESt-Bescheid, der eine festgesetzte ESt von 0,00 EUR ausweist, ist zulässig, weil der ESt-Bescheid des Verlustentstehungsjahres gemäß § 10d Abs. 4 Sätze 4, 5 EStG bezogen auf die Verlustfeststellung wie ein Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO wirkt.
2) Ein Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG kann erst in dem VZ berücksichtigt werden, in dem endgültig feststeht, in welcher Höhe der Stpfl. mit Zahlungen aus einer (Höchstbetrags-) Bürgschaft belastet wird.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 10d Abs. 4 Sätze 4-5, § 17 Abs. 4; AO § 171 Abs. 10
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob im Streitjahr 2010 ein Verlust gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.
Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Die Kläger erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger war Gesellschaftergeschäftsführer der T GmbH (GmbH). Er war seit dem 29.12.2000 – neben einem weiteren Gesellschafter – zu 50 % am Stammkapital der GmbH beteiligt. Auf Antrag der Geschäftsführung vom 04.02.2010 eröffnete das Amtsgericht U unter dem Aktenzeichen 73 IN 13/10 am 01.04.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden am 06.05.2010 alle Aktiva (der gesamte Betrieb) an einen Erwerber veräußert. Das Insolvenzverfahren ist ausweislich der beigezogenen Insolvenzakten noch nicht abgeschlossen.
Die beiden GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer hatten am 09.07.2009 eine Höchstbetragsbürgschaft i.H.v. X EUR für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank 1 übernommen. Mit Schreiben vom 20.08.2010 teilte die Bank 1 dem Kläger mit, dass sie nach Verwertung des Sicherungsgutes noch eine Forderung i.H.v. X EUR gegen die GmbH habe. Der Kläger und sein Mitgesellschafter wurden daher aufgefordert, den Bürgschaftsbetrag bis zum 15.10.2010 zu zahlen. Sollte der Kläger nicht in der Lage sein, den Betrag zu zahlen, werde ein akzeptabler Rückzahlungsvorschlag erwartet. Sollte bis zu dem Termin keine Zahlung auf die Bürgschaft erfolgt sein, werde die Forderung ohne weitere Mahnung auf gerichtlichem Weg geltend gemacht.
Nach mehrmonatigen Verhandlungen und wechselseitigem Schriftverkehr teilte die Bank 1 dem Kläger mit Schreiben vom 19.05.2011 mit, dass sie ihn bei Zahlung eines Betrages i.H.v. X EUR bis zum 10.06.2011 aus der Bürgschaft entlassen werde. Mit Schreiben vom 30.05.2011 bestätigte die Bank 1, dass sie den Vergleichsbetrag am 27.05.2011 erhalten habe und keine Rechte aus der Gesamtbürgschaft mehr geltend mache.
Mit ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Verlust gem. § 17 EStG i.H.v. X EUR geltend. Nach den beigefügten Erläuterungen setzte sich der Betrag wie folgt zusammen:
Stammkapital |
X EUR |
Verlust Kapitalrücklage |
X EUR |
Bürgschaft Bank 1 |
X EUR |
Gesellschafterdarlehen |
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gez. laut Vergleich v. 22.07.2010 |
X EUR |
Haftungsbescheid FA v. 2.11.2010 |
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gez. 50 % |
X EUR |
Gebührenrechnung VMG v. 03.11.2010 |
X EUR |
Gebührenrechnung VMG v. 08.06.2011 |
X EUR |
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X EUR |
Der Beklagte erkannte die Zahlungen für die Haftungsinanspruchnahme als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit an. Im Übrigen ließ er den geltend gemachten Verlust gem. § 17 EStG bei Erlass seines Einkommensteuerbescheides und der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2010 jeweils vom 14.05.2012 für das Streitjahr unberücksichtigt. Der Verlust sei in 2011 zu berücksichtigen.
Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte hielt in seiner Einspruchsentscheidung vom 05.12.2012 an der Auffassung fest, dass die nachträglichen Anschaffungskosten wegen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft der Bank 1 erst mit Abschluss des Vergleichs in 2011 festgestanden hätten. Damit sei der Auflösungsverlust insgesamt erst in 2011 zu berücksichtigen.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Hinweis auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren weiter. Sie sind der Auffassung, dass der Auflösungsverlust schon in 2010 festgestanden habe. Die Voraussetzungen für dessen Ermittlung hätten vorgelegen. Denn der Kläger habe bereits in 2010 ernstlich mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft rechnen müssen. Die Bank 1 habe deren gerichtliche Geltendmachung schon mit Schreiben vom 25.08.2010 angedroht. Der Kläger sei aufgefordert worden, bis zum 15.10.2010 zu zahlen oder einen angemessenen Rückzahlungsbetrag anzubieten. Aus der Vermögensübersicht zum 01.04.2010 ergäben sich die Vermögenswerte übersteigende Verbindlichkeiten der GmbH i.H.v. X EUR. Mit einer Rückzahlung des hingegebenen Darlehens oder mit der Real...