Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH X B 58/15)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
Kommt es im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung zu einer tatsächlichen Verständigung, die sich auf Sachverhaltsfragen bezieht, der Sachverhalt in der Vergangenheit liegt, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, auf Seiten des Amtes ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, so ist sie bindend.
Normenkette
AO § 164 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine wirksame tatsächliche Verständigung getroffen wurde.
Der geschiedene Kläger erzielte in den Streitjahren 2006 bis 2010 als Inhaber einer Bäckerei mit mehreren Ladengeschäften Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Daneben erzielte er noch Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 wurden erhebliche Buchführungsmängel festgestellt. Die Betriebsprüfung wurde in eine Fahndungsprüfung übergeleitet. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 20.09.2011 stellte der Prüfer zwei Tafelkalender 2011 sicher. Der eine gibt die tatsächlichen Einnahmen wieder, der andere die in den Steuererklärungen angegebenen verkürzten Beträge. Der Kläger räumte ein, dass er seine Betriebseinnahmen und Umsätze auch in den Vorjahren jeweils zu niedrig angegeben habe. Die zugehörigen Aufzeichnungen habe er jeweils am Jahresende vernichtet.
Am 22.09.2011 fand im Finanzamt eine Besprechung statt, an der neben dem Kläger der Steuerfahnder, der Sachgebietsleiter der Steuerfahndungsstelle und der Sachgebietsleiter Veranlagung teilnahmen. Ausweislich der "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung" vom selben Tag, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ist bei dieser Besprechung die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert worden. Dabei habe sich laut Niederschrift herausgestellt, dass der Fall einer erschwerten Sachverhaltsermittlung im Sinne des Bundesfinanzhof(BFH)-Urteils vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BStBl. II 1985, 354, vorliege, weil eine exakte Sachverhaltsermittlung wegen fehlender Unterlagen, insbesondere Aufzeichnungen über Bareinnahmen, Kassenstreifen usw. - wenn überhaupt - nur unter erheblich erschwerten Bedingungen und unter großem Zeitaufwand möglich sei. Man habe sich daher darauf geeinigt, ausgehend von den Fahndungsfeststellungen, wonach der Kläger ausweislich der gefundenen Kalender im ersten Halbjahr 2011 die Betriebseinnahmen um 78.779,71 € (somit um 24% der tatsächlichen Umsatzerlöse bzw. 32% der erklärten Beträge) zu niedrig erklärt habe, die Besteuerungsgrundlagen der Jahre 2006 bis 2010 entsprechend zu erhöhen (für die Einkommensteuer vgl. Tz. 4.1 der tatsächlichen Verständigung).
Gemäß Tz. 8 der Niederschrift vom 22.09.2011 wurde bzgl. der anhängigen Strafverfahren darauf hingewiesen, dass die strafrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibe. Gemäß Tz. 9 der Niederschrift sind Gegenstand der Vereinbarung nur die in Tz. 4 dargestellten Regelungen. Andere Sachverhaltsbereiche sollten davon unberührt bleiben.
Mit Bescheiden vom 07.11.2011 änderte das Finanzamt den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für 2006 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO), die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2007, 2008 und 2009 nach § 164 Abs. 2 AO und erließ erstmals einen Einkommensteuer- und einen Gewerbesteuermessbescheid für 2010, in denen es die Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten Außenprüfung berücksichtigte. Der in den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 wurde jeweils aufgehoben, § 164 Abs. 3 AO.
Im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide vom 07.11.2011 machte der Kläger - ohne konkrete Begründung - geltend, die Steuerschuld sei nicht korrekt berechnet worden. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 05.06.2012 als unbegründet zurückgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide aufgrund der für beide Seiten bindenden tatsächlichen Verständigung ergangen seien.
Mit der dagegen erhobenen Klage beantragt der Kläger, die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 vom 07.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2012 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht mit den Beträgen nach der tatsächlichen Verständigung vom 22.09.2011 zugrunde gelegt werden, sondern die verminderten nach einem Zuschätzungssatz von 11 % (statt 30,53 % wie in der tatsächlichen Verständigung) und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Weiter beantragt er, die Gewerbesteuermessbescheide für 2006 bis 2010 vom 07.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2012 dahin zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach der tatsächlichen Verständigung vo...