Revision eingelegt (BFH XI R 7/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Flächenschlüssels zur Vorsteueraufteilung gemischt genutzter Gebäudekomplexe - Bindungswirkung der Umsatzsteuerfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1a) Bei der steuerfreien und steuerpflichtigen Vermietung baulich jeweils eigenständiger Flächen eines Gebäudes, wie der steuerfreien Vermietung von Wohnungen und der steuerpflichtigen Vermietung von Ladeneinheiten eines Gebäudes, kann der zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsanteil nach den unterschiedlich vermieteten Flächen ermittelt werden.
1b) Die Anwendung eines Flächenschlüssels zur Vorsteueraufteilung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung feststehender und nicht ohne weiteres änderbarer baulicher Gesichtspunkte erfolgt. Danach findet der Flächenschlüssel insbesondere Anwendung, wenn die Flächenaufteilung innerhalb des Gebäudes sich aufgrund von Bauanträgen und Baugenehmigungen nach feststehenden baulichen Gesichtspunkten vornehmen lässt.
2a) Die Vorsteuerbeträge sind allerdings nicht nach dem Verhältnis der Flächen aufzuteilen, wenn die Nutzflächen nicht miteinander vergleichbar sind, etwa wenn die Ausstattung der den unterschiedlichen Zwecken dienenden Räume (z.B. Höhe der Räume, Dicke der Wände und Decken, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist.
2b) Zur Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Flächen trotz erheblicher Ausstattungsunterschieden im Einzelfall - hier Supermarkt und Seniorenwohnanlage.
3. Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstandes formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder --bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung-- das Finanzamt ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab (auch für die nachfolgenden Kalenderjahre des Berichtigungszeitraumes) bindend.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 4 Sätze 2-3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Vorsteueraufteilung aus der Errichtung eines Gebäudekomplexes.
Die Klägerin ist eine mit notarieller Urkunde vom 21.12.2010 rückwirkend zum 01.05.2010 durch formwechselnde Umwandlung der am 26.05.2009 errichteten A GmbH entstandene Kommanditgesellschaft. Komplementärin ist die "B GmbH", Kommanditisten sind die bisherigen GmbH-Gesellschafter "C-GmbH" und "D- GmbH". Gegenstand des Unternehmens sind die Errichtung von Gebäuden auf dem im Grundbuch des Amtsgerichts 1 von Prüll Blatt xxx vorgetragenen Grundstück FIurnr. 000 sowie deren Vermietung und Verwaltung. Das bebaute Grundstück mit insgesamt 4.699 qm wurde im Jahr 2011 grundbuchrechtlich in das Grundstück FI.Nr. 000 2-Straße mit 2.184 qm - Geschäftsgebäude - und in das Grundstück FI.Nr. 000/11 3-Straße mit 2.515 qm -Wohngebäude mit Tiefgarage - aufgeteilt.
Im Oktober 2009 begann die Klägerin mit der Errichtung einer öffentlich geförderten (Senioren)-Wohnanlage mit 57 Wohnungen sowie eines daran anschließenden Supermarkts. Das "Nahversorgungszentrums " wurde im November 2010 fertiggestellt und ab 01.11.2010 vermietet. Bereits am 27.02.2008 hatte die A GmbH einen Mietvertrag mit der Z Handelsgesellschaft mbH abgeschlossen, der eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung vorsah.
Ausgehend von einer bebauten Gesamtgrundfläche von 5.006,65 m², davon einer Gesamtwohnfläche von 3.133,32 m² und einer Geschäftsfläche von 1.873,33 m² errechnete die Klägerin nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen einen auf den steuerpflichtig vermieteten Supermarkt entfallenden Anteil von 37,42 v.H. und machte den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Baukosten gem. § 15 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) in den Voranmeldungen ab Oktober 2009 geltend.
Die Klägerin reichte am 08.02.2011 ihre Umsatzsteuererklärung 2009 ein, in der sie keine Umsätze erklärte, Vorsteuerbeträge aus Baukosten im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen in Höhe von 184.402,53 € und eine Umsatzsteuer von ./. 184.402,53 € auswies. Die Erklärung stand nach Zustimmung des Finanzamts einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 Abgabenordnung -AO). Sie wurde formell bestandskräftig (§ 355 Abs.1 Satz 2 AO).
In der Umsatzsteuererklärung 2010 vom 09.02.2012 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 43.834 €, steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 29.914 €, im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen berechnete Vorsteuerbeträge in Höhe von 345.333,15 € und eine Umsatzsteuer in Höhe von ./. 337.004,69 €. Das Finanzamt stimmte mit Abrechnungsmitteilung vom 03.8.2012 der Steuererklärung zu, sie stand somit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 AO). Die Steuerfestsetzung wurde formell bestandskräftig (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO).
Zur Überprüfung der Vorsteueraufteilung ordnete das Finanzamt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an, mit der am 14.02.2012 begonnen wurde. Die Prüferin errechnete einen gewerblichen Nutzungsanteil von...