Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG ist insbesondere darüber zu entscheiden, ob Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtig sind. Enthält ein Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG eine solche Feststellung, so ist diese für die Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters bindend, mit der Folge, dass bei ihm gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG grundsätzlich ein Hinzurechnungsbetrag anzusetzen ist.

2. Im Rahmen der Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters kann wegen der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht mehr geprüft werden, ob die Hinzurechnung gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten des Gesellschafters nach dem EGV bzw. dem AEUV verletzt.

3. Die Anwendung der §§ 182 Abs. 1 Satz 1, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO verstößt nach Maßgabe des sog. Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auch dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn der Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG gemeinschaftsrechtswidrig ist.

 

Normenkette

AStG § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 1 S. 1; AO § 182 Abs. 1 S. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 179 Abs. 3; EGV Art. 43, 48; AEUV Art. 49, 54

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.11.2018; Aktenzeichen I R 47/16)

 

Tatbestand

Streitig ist die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG).

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft ... Durch Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom xx.xx.1997 hatte sie sämtliche Anteile an der Y GmbH mit Sitz im Inland erworben.

Die Y GmbH war im Streitzeitraum zu 99,9999 % unmittelbar und zu 0,0001 % mittelbar (über die B1 und die B2, beide mit Sitz in Belgien) an der in Belgien ansässigen Fa. B beteiligt. Die B war ein steuerlich privilegiertes sog. Koordinierungszentrum im Sinne der belgischen königlichen Verordnung Nr. 187 vom 30. Dezember 1982. Gegenstand ihres Unternehmens war die Entwicklung, die Koordination und die Zentralisierung folgender Aktivitäten zum Vorteil eines Teils oder aller Gesellschaften der Unternehmensgruppe: Öffentlichkeitsarbeit, Informationsbeschaffung und -verteilung, wissenschaftliche Untersuchungen, Beziehungen mit nationalen und internationalen Behörden, Tätigkeiten auf dem Gebiet der Buchhaltung, Verwaltung und Informatik, Finanzdienstleistungen, Deckung von Wechselkursrisiken sowie alle Tätigkeiten, die einen vorbereitenden oder unterstützenden Charakter für die Gesellschaften der Gruppe haben.

Mit Verschmelzungsvertrag vom xx.xx.2000 übertrug die Y GmbH als übertragende Rechtsträgerin mit Wirkung zum 1. Januar 2000 ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin. Die Verschmelzung wurde mit Eintragung im Handelsregister am yy.yy.2000 wirksam. Die Klägerin ist demnach Rechtsnachfolgerin der Y GmbH.

Im März 2000 erließ der Beklagte aufgrund einer entsprechenden Feststellungserklärung der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997/98(Feststellungsjahr 1998), in welchem er – erklärungsgemäß – auf die Y GmbH entfallende Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe von 1xxx DM, davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Höhe von 2xxx DM, sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) in Höhe von … DM feststellte. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen wurden der Körperschaftsteuerfestsetzung für 1998 zugrunde gelegt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In der Zeit von Juli 2000 bis März 2003 (mit Unterbrechungen) wurde bei der Y GmbH eine Außenprüfung durchgeführt. Gemäß Tz. 1.04 und 1.05 des Prüfungsberichts vom 1. Juli 2003 ergaben sich für das Jahr 1998 ein geänderter Hinzurechnungsbetrag sowie geänderte anrechenbare Auslandssteuern (Bl. 8 d. Bp.-Berichtakten).

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ unter dem 16. Oktober 2003 einen geänderten Feststellungsbescheid nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998), in welchem er nunmehr auf die Y GmbH entfallende Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe von 3xxx DM, davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Höhe von 4xxx DM, sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) in Höhe von 5xx DM feststellte (vgl. Bl. 182 ff. d. PA). Zudem erließ er unter dem 31. Oktober 2003 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998, in welchem er der Besteuerung einen Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 2 AStG in Höhe von 4xxx DM sowie nach § 12 AStG anzurechnende ausländische Steuern in Höhe von 5xx DM zugrunde legte (Bl. 62 ff. d. KSt-Akten, Bd. I; vgl. zum An...

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