Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Sozialamtes auf Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Leistet das Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber einem Kind, für das der Vater als Kindergeldberechtigter einen Anspruch auf Kindergeld hat, so ist das Kindergeld für die Monate an das Sozialamt auszuzahlen, in denen Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wurde.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 2; SGB X § 104 Abs. 1-2, § 107 Abs. 1; BSHG § 2 Abs. 1, §§ 76-77
Tatbestand
Der Kläger bezog im Jahr 2001 für seine beiden Söhne S, geb. am 15.7.1981, und S. L., geb. am 14.3.1983 Kindergeld, da sich die beiden Kinder noch in Berufs- bzw. Schulausbildung befanden. Ausweislich der Akten lebten die beiden Söhne im Jahr 2001 nicht mehr im Haushalt des Klägers, sondern in einer angemieteten Wohnung, deren Kosten (Miete usw.) der Kläger getragen hat.
Nach einer Gesprächsnotiz vom 5. April 2001 hat der Sohn S.L. bei der beklagten Familienkasse vorgesprochen und die Abzweigung des Kindergeldes an sich beantragt, da weder Vater noch Mutter Unterhalt zahlen würden. Er selbst wohne nicht mehr im Haushalt des Vaters (Bl. 67 KG-Akte). Die Zahlung des Kindergeldes für den Sohn S.L. wurde daher ab April 2001 zunächst eingestellt.
Mit Schreiben vom 18. April 2001 forderte der Beklagte den Kläger auf, beim zuständigen Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - einen Antrag auf Bestimmung des Kindergeldberechtigten zu stellen. Denn das Kind S.L. lebe weder im Haushalt eines Berechtigten noch werde von einer Seite überwiegend der Barunterhalt gezahlt. Eine Berechtigtenbestimmung sei auch nicht getroffen worden. Die Familienkasse könne deshalb nicht entscheiden, wer vorrangig kindergeldberechtigt sei (Bl. 70 KG-Akte).
Hierauf teilte der Kläger der beklagten Familienkasse mit, die Behauptung seines Sohnes, dass er nicht mehr in seinem Haushalt lebe, stimme einfach nicht. Er verweise in diesem Zusammenhang auf die beigefügte Kopie des Schreibens seines Rechtsanwaltes ... vom 23. April 2001 an die Rechtsanwältin seines Sohnes. Außerdem sei S.L. seines Wissens nach wie vor unter seiner Anschrift polizeilich gemeldet (Bl. 74 KG-Akte).
Mit Schreiben vom 10. April 2001 meldete die Beigeladene, die Stadtverwaltung N - Sozialamt -, einen Erstattungsanspruch auf Kindergeld gemäß §§ 102 ff SGB X i. V. m. § 74 EStG an. Sie teilte mit, dass S. L. vom 21.03.2001 an bis auf weiteres Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) erhalte. Weiterhin ist ausgeführt: „Der Hilfeempfänger hat bei Ihnen am 23.03.2001 Kindergeld i. V. m. § 74 EStG beantragt bzw. ist aufgefordert, einen Antrag zu stellen. Für den Fall Ihrer Leistungspflicht bitten wir um Erstattung aus Kindergeld i. V. m. § 74 EStG in Höhe der Sozialhilfe und um Überweisung an die Stadt N ... „ (Bl. 81 KG-Akte). Ausweislich der Sozialhilfeakten hat der Sohn S.L. Sozialhilfe - ohne Anrechnung von Kindergeld - für die Monate März - August 2001 in Höhe von 3.721,19 DM erhalten.
Mit Beschluss vom 4. Januar 2002 hat das Amtsgericht N auf Antrag des Klägers vom 7.5.2001 den Kindesvater (= Kläger) gemäß § 64 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 EStG zum alleinigen Berechtigten zum Empfang des Kindergeldes für das Kind S. L. bestimmt. Der Antrag des S. L. vom 20.04.2001, ihn selbst zum Empfangsberechtigten des Kindergeldes zu bestimmen, wurde zurückgewiesen. In den Gründen wurde ausgeführt, dass der Kindesvater den Behauptungen seines Sohnes, seine Eltern würden keine finanziellen Unterstützungen an ihn leisten, widersprochen und erklärt habe, dass sein Sohn überwiegend von ihm unterhalten würde. Der Kindesvater habe durch seinen Rechtsanwalt deutlich gemacht, dass von ihm der überwiegende Unterhalt geleistet werde (Bl. 85 f KG-Akte).
Mit Bescheid vom 29. Januar 2002 setzte der Beklagte das Kindergeld für das Kind S. L. ab April 2001 i. H. v. 138,05 Euro monatlich fest. In dem Bescheid war weiterhin ausgeführt: „Der Anspruch gilt Ihnen gegenüber für den Zeitraum von April 2001 bis Dezember 2001 i. H. v. 1.242,44 EUR nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als erfüllt. Das Sozialamt der Stadt N hat in dieser Höhe einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 i. V. m. §§ 103, 104 SGB X geltend gemacht, da für den gleichen Zeitraum Sozialhilfe ohne Anrechnung des Kindergeldes gezahlt wurde. Sie erhalten für den genannten Zeitraum keine Leistungen ausgezahlt (Bl. 92 f KG-Akte).“ Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Aufgrund einer Mitteilung der Beigeladenen, dass der Sohn S.L. dort lediglich bis zum 31. August 2001 in Leistungsbezug gestanden habe und daher nur die Überweisung des Kindergeldes für den Zeitraum April bis August 2001 beantragt werde (Bl. 99 KG-Akte) erließ der Beklagte am 4. März 2002 einen Änderungsbescheid, mit dem nunmehr das Kindergeld für die Zeit von April bis August 2001 an das Sozialamt „abgezweigt“ und ab September 2001 an den Kläger gezahlt wurde (Bl. 106 f KG-Akte).
Mit der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 wurde der...