Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäude als Berichtigungsobjekt bei Verwendung nach Baufortschritt
Leitsatz (amtlich)
Werden einzelne Gebäudeteile eines in den Jahren 2006 bis 2008 errichteten und insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes zu unterschiedlichen Zeitpunkten fertig gestellt und die fertigen Gebäudeteile vor der Fertigstellung der übrigen bereits für die Erzielung von Umsätzen verwendet, so ist bei einer Vorsteuerberichtigung aufgrund Änderung der Flächenverhältnisse für die Verwendung auf das gesamte Gebäude als Berichtigungsobjekt abzustellen (entgegen Abschnitt 15a.3 Absatz 2 Satz 1 UStAE).
Normenkette
UStG § 15a Abs. 1; UStDV § 44 Abs. 2; UStAE 15a.3 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bagatellgrenzen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG überschritten sind.
Der Kläger hat einen Weinbau-Betrieb und einen Gewerbebetrieb Weinkommission und landwirtschaftliche Dienstleistungen. Die Vermietung zweier Ferienwohnungen wurde in den Streitjahren noch nicht ausgeübt.
Seine landwirtschaftlichen Umsätze versteuerte der Kläger gemäß § 24 UStG, die übrigen gemäß § 20 UStG.
Im Jahr 2006 erweiterte der Kläger sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Wohnhaus. Nach den Plänen befinden sich im Keller eine kleine abgeschlossene Wohnung für Erntehelfer, Labor, Büro, Archiv und Räume für die Weinkommission. Im Erdgeschoss befindet sich neben privaten Wohnräumen ein Empfangsraum. Im Obergeschoss sind neben weiteren privaten Wohnräumen zwei Ferienwohnungen untergebracht.
Im Dezember 2008 waren Unter- und Erdgeschoss sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertig gestellt.
Der Kläger ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und beantragte den Vorsteuerabzug aus den Baukosten, für die selbstgenutzte Wohnung unter Berufung auf die Seeling-Rechtsprechung. Dem Weinbaubetrieb ordnete er nach dem Flächenschlüssel einen nicht abzugsfähigen Vorsteueranteil von 11,51% zu.
Die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2009 bis 2012 galten als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In den Jahren 2014/2015 führte die landwirtschaftliche Betriebsprüfung des Finanzamts Neustadt beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, deren Ergebnis in den Prüfungsberichten vom 27.03.2015 dargestellt ist.
Der Prüfer stellte fest, dass als Vermietungseinkünfte erklärte Mieteinnahmen die Wohnung für die Erntehelfer betrafen. Hinsichtlich der Nutzung des Kellergeschosses wurde Einigung darüber erzielt, dass dieses hälftig dem landwirtschaftlichen Betrieb und dem Gewerbebetrieb zuzuordnen sei; dies führte zur Neuberechnung der Flächenanteile. Die beiden Ferienwohnungen seien 2015 noch im Rohbau gewesen.
Der Prüfer ging deshalb für die Ermittlung des Vorsteuer-Berichtigungszeitraumes von der Errichtung in zwei Bauabschnitten aus, wobei die beiden Ferienwohnungen dem zweiten Bauabschnitt zugeordnet wurden.
Der Prüfer errechnete die Vorsteuerberichtigung wie folgt:
Vorsteuer 1. Bauabschnitt gesamt |
55.224,03 € |
Berichtigungsbetrag bei Berichtigungszeitraum 10 Jahre |
5.522,40 € |
Zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung lt. Verwendungsabsicht |
85,66 % |
tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung |
74,70 % |
Änderung der maßgeblichen Verhältnisse um |
- 10,95 % |
Vorsteuerberichtigung 2009 bis 2012 jährlich jeweils |
604,92 €. |
Das beklagte Finanzamt änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend den Prüfungsfeststellungen und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Der Kläger legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Voraussetzungen des § 15a UStG für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs lägen nicht vor (§ 15a Abs. 11 UStG i.V.m § 44 Abs. 2 UStDV). Weder die absolute Grenze von 1.000 € je Kalenderjahr für das Berichtigungsvolumen, noch die Grenze von 10% seien überschritten (8,79%). Es sei auf das gesamte Wirtschaftsgut abzustellen und nicht auf Teile davon. Die vom Prüfer vorgenommene Aufteilung in Bauabschnitte sei nicht zulässig, da das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zugeordnet worden sei (BFH Urteil vom 28.09.2006 - V R 43/03, BStBl II 2007, 417)
Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 09.05.2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung führte das FA aus, zur Bestimmung der geänderten Verhältnisse könne nach Bauabschnitten differenziert werden, da mehrere Berichtigungsobjekte (Raumeinheiten/Nutzungseinheiten) vorlägen (BFH Urteil vom 09.12.1993 - V R 98/91, BFH/NV 1997, 380). Die Sachbehandlung durch das FA entspreche Abschnitt 15a.3 Abs. 2 UStAE und dem BMF-Schreiben vom 06.12.2005 (BStBl I 2005,1068).
Im Streitfall hätten sich die Flächenverhältnisse durch die Nutzung der bereits fertig gestellten Gebäudeteile vor Fertigstellung des gesamten Hauses geändert. Dass es sich bei dem gemischt genutzten Gebäude um ein einheitliches Wirtschaftsgut handele, stehe dem nicht entgegen. Die vom BFH mit Urteil vom 26.06.1996 - XI R 43/90 (BStBl II 1997, 989) festgestellte Aufteilba...