Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur rechtlichen Wirkung der "Androhung" eines Verzögerungsgelds in Abgrenzung zur Zwangsgeldandrohung
Leitsatz (amtlich)
Der Ankündigung, ein Verzögerungsgeld festsetzen zu wollen, kommt nicht die Eigenschaft als Verwaltungsakt zu. Das gilt auch dann, wenn diese Ankündigung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung
Normenkette
FGO § 69; AO § 146 Abs. 2b, § 328 ff
Tatbestand
I.
Streitig ist die Androhung eines Verzögerungsgeldes.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Ausführung schweißtechnischer Arbeiten und die Arbeitnehmerüberlassung ist.
Mit Prüfungsanordnungen vom 18.05.2010 und 25.07.2010 ordnete der Antragsgegner die Durchführung einer Außen- und einer Lohnsteuer-Außenprüfung an, die am 11.10.2010 beginnen sollten. Nachdem der Antragsgegner im Rahmen dieser Prüfung mit Schreiben vom 19.11.2010 die Vorlage bestimmter Unterlagen zur Prüfung verlangt und dabei auf die bei bisheriger Beleganforderung eingetretene nicht zu rechtfertigende Verlängerung der Prüfungsdauer hingewiesen hatte, teilte der Steuerberater der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.12.2010 mit, dass diese Unterlagen noch vorgelegt würden. Er habe die Antragstellerin bereits vor Prüfungsbeginn über die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO informiert. Mit Schreiben vom 17.01.2011 teilte der Steuerberater mit, seine Mandantin habe trotz hinreichend frühzeitiger und wiederholter Aufforderung durch ihn und seine Mitarbeiter die für die ordnungsgemäße Fortsetzung der Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen zur Prüfung in seiner Kanzlei nicht zur Verfügung gestellt. Er habe seine Mandantin mehrfach und eindringlich auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen.
Der Antragsgegner forderte sodann mit Schreiben vom 19. Januar 2011 (Bl. 192 Außenprüfungsakten) unter dem Betreff "Laufende Unternehmensprüfung (Lohnsteuer-Außenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) der S GmbH; hier: Anforderung der Belege/Unterlagen zur Fortsetzung der Prüfung" von der Antragstellerin "zur Fortsetzung der Unternehmensprüfung ... für den Prüfungszeitraum (Lohnsteueraußenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) alle Unterlagen, insbesondere die im Schreiben des Finanzamts vom 19.11.2010 aufgeführten, zur Bereitstellung in den betrieblichen Räumen der Firma, hilfsweise im Steuerbüro H, bis zum 26.01.2011" an. Ergänzend führte er aus:
"Sollten Sie der Aufforderung zur Vorlage vorab aufgeführter Belege/Unterlagen bis zu der gesetzten Frist nicht nachgekommen sein, beabsichtige ich ein Verzögerungsgeld von 2.500,- € festzusetzen."
Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung (Hinweis auf Einspruch) beigefügt.
Mit Schreiben vom 20.01.2011 erhob die Antragstellerin Einspruch "gegen den Verwaltungsakt vom 19. Januar 2011 (Androhung eines Verzögerungsgeldes - gemeint wohl: Zwangsgeldes)" und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Der angefochtene Verwaltungsakt sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (Verstoß gegen § 119 Abs. 1 AO), zudem erscheine die Anforderung der Unterlagen in der vorliegenden Form unverhältnismäßig, namentlich in zeitlicher Hinsicht. Denn es seien u.a. Dokumente angefordert worden, die sich nicht in ihrem Besitz befänden und deswegen noch besorgt werden müssten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.02.2011 wies der Antragsgegner den Einspruch zurück und lehnte gleichzeitig die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.
Die Anforderung der Unterlagen sei inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen. Es seien alle prüfungsrelevanten Unterlagen/Belege zur Fortsetzung der Außen- bzw. der Lohnsteueraußenprüfung bezogen auf den jeweiligen Prüfungszeitraum angefordert worden. Es handele sich fast ausschließlich um Dokumente, die bei einer turnusmäßigen Außenprüfung standardmäßig bereitzustellen seien. Die wenigen etwas spezifischen Dokumente (betr. Fa. Si.) seien bereits mit dem Schreiben vom 19.11.2010 angefordert gewesen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass die Anforderung der Unterlagen am 19.01.2011 in zeitlicher Hinsicht nicht unverhältnismäßig gewesen sei.
Komme der Steuerpflichtige seinen sich aus § 200 AO ergebenden Mitwirkungspflichten nicht, unvollständig oder verspätet nach, könne die Finanzverwaltung ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO festsetzen. Weil die Antragstellerin die Unterlagen nicht vorgelegt habe, habe die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds ermessensgerecht erfolgen können. Die Höhe entspreche mit 2.500 Euro dem gesetzlichen Mindestbetrag, eine weitere Begründung zum Auswahlermessen bezüglich der Höhe sei daher nicht erforderlich.
Mit Aktenvermerk vom 04.02.2011 (Bl. 202 Außenprüfungsakten) wies die Bp-Stelle des Antragsgegners den für die Antragstellerin zuständigen Veranlagungsbezirk "an, die Festsetzung und Sollstellung des angedrohten Verzögerungsgelds zeitnah durchzuführen" unter Verwendung einer mit übersandten Musterformulierung (Bl. 219 Außenprüfungsakten).
Die hiergegen am 08.02.2011 erhoben...