Rz. 50
Unter den besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. und S. 2 ErbStG ist eine Anzeige entbehrlich. Auch in diesem Fall besteht aber in jedem Fall die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gem. § 31 ErbStG; diese Verpflichtung setzt allerdings eine an den Beteiligten ergangene entsprechende Aufforderung voraus, vgl. § 31 ErbStG.
Rz. 51
§ 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. und S. 2 ErbStG setzen eine amtlich eröffnete Verfügung von Todes wegen bzw. eine gerichtliche oder notarielle Beurkundung einer Schenkung unter Lebenden oder Zweckzuwendung durch eine deutsche Stelle voraus. Bei einem entsprechenden Tätigwerden ausländischer Gerichte oder ausländischer Notare ist § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. ErbStG unanwendbar; hier verbleibt es bei den Regelungen des § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG.
Rz. 52
Die Anzeigepflicht entfällt gem. § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. ErbStG außerdem nur dann, wenn sich aus der amtlich eröffneten Verfügung von Todes wegen – und ebenso aus der Urkunde über die Schenkung unter Lebenden bzw. Zweckzuwendung – das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser bzw. Schenker "unzweifelhaft ergibt". Insoweit dürfen an das Entfallen der Anzeigepflicht keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Das gilt besonders dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Erblasser bzw. Schenker unzutreffend bezeichnet ist. Hier hat die Rspr. der Neigung der Finanzämter, derartige unzutreffende Angaben als "Aufhänger" für eine Verlängerung der Festsetzungsverjährung zu benutzen, einen Riegel vorgeschoben: Mit dem "Verhältnis" i. S. d. § 30 Abs. 3 ErbStG ist nicht das persönliche Verhältnis (z. B. Verwandtschaftsgrad), sondern allein das erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich relevante Verhältnis zwischen dem Erwerber und dem Erblasser/Schenker gemeint. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. ErbStG, der im Gegensatz zu § 30 Abs. 4 Nr. 5 ErbStG nicht von den "persönlichen Verhältnissen" des Erwerbers zum Erblasser bzw. Schenker spricht.
Rz. 53
Im Übrigen entfällt die Anzeigepflicht gem. § 30 Abs. 3 1. Halbs. ErbStG bereits dann, wenn das FA der amtlich eröffneten Verfügung von Todes wegen unzweifelhaft die namentliche Bezeichnung des Erblassers sowie den Rechtsgrund für den Erwerb entnehmen kann.
Rz. 54
Eine aufgrund § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. und S. 2 ErbStG fehlende Anzeigepflicht kann der FinVerw besondere Überwachungsschwierigkeiten bereiten, wenn die Steuer aufgrund einer aufschiebenden Bedingung, Befristung oder Betagung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst lange Zeit – u. U. erst Jahrzehnte – später entsteht. Gleichwohl hat es die Rspr. auch für derartige Fälle zutreffend abgelehnt, die Befreiung von der Anzeigepflicht entgegen dem klaren Wortlaut des § 30 Abs. 3 ErbStG einzuschränken. Die FinVerw muss die entsprechenden Steuerfälle daher ggf. über viele Jahre überwachen. Die Übersendung der monatlichen Totenliste (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 ErbStDV) durch die Standesämter (zu deren Anzeigepflicht vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG) an das zuständige Erbschaftsteuer-Finanzamt lässt die Anzeigepflicht gem. § 30 Abs. 3 ErbStG nicht entfallen. Unabhängig davon, ob der Sollinhalt der Totenliste (dazu § 4 ErbStDV i. V. m. Muster 3) den vorstehenden Anforderungen des § 30 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. ErbStG noch genügt, steht jedenfalls der klare Wortlaut des § 30 Abs. 3 ErbStG der Annahme entgegen, dass die Verpflichtung der Standesämter zur Übersendung der Totenliste generell von einer Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG dispensiert.
Rz. 55
Nach § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG entfällt die Anzeigepflicht auch dann, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist. In diesem Fall ist die Ausführung der Schenkung nicht anzeigepflichtig. Aus dieser Rechtslage können sich für die FinVerw die bereits in Rz. 54 angesprochenen Schwierigkeiten bei der Überwachung derartiger Vorgänge ergeben, sofern es erst lange Zeit nach der Beurkundung der Schenkung bzw. Zweckzuwendung zu einer Ausführung kommt. Auch hier scheidet jedoch eine einschränkende Auslegung des § 30 Abs. 3 ErbStG aus.