Rz. 80
Erhebliche Bedeutung hat die Anzeigepflicht aus § 30 ErbStG sowie die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung (§ 31 ErbStG) im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Festsetzungsverjährung.
Rz. 81
Die Festsetzungsfrist für die Erbschaft- und Schenkungsteuer beträgt 4 Jahre. Die Festsetzungsfrist beträgt 10 Jahre, soweit die Steuer hinterzogen und 5 Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Zur Wahrung der Festsetzungsfrist vgl. § 169 Abs. 1 S. 3 AO.
Rz. 82
Der Beginn der Festsetzungsfrist ist durch die Grundregel des § 170 Abs. 1 AO auf den Ablauf des Kalenderjahrs festgelegt, in dem die Steuer entstanden ist (zur Steuerentstehung vgl. § 9 ErbStG). Diese Grundregel greift allerdings nur ein, wenn nicht der Anlauf der Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder § 170 Abs. 5 AO gehemmt ist.
3.1 Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO
Rz. 83
Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist hinsichtlich des Beginns der Festsetzungsfrist zum einen die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zu beachten: Hiernach beginnt, wenn eine Anzeige zu erstatten (§ 30 ErbStG) oder eine Steuererklärung (§ 31 ErbStG) einzureichen ist, die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder Anzeige – bei der organisatorisch zuständigen Erbschaft- oder Schenkungsteuerstelle – eingereicht wird; die Festsetzungsfrist beginnt jedoch spätestens mit Ablauf des 3. Kalenderjahrs, das auf das Entstehungsjahr der Steuer folgt. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO verfolgt einen Sicherungszweck; die Vorschrift soll verhindern, dass durch eine späte Einreichung der Steuererklärung oder Anzeige die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit ggf. gezielt verkürzt wird.
Rz. 84
"Anzeigen" i. S. d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO sind nur die vom Erwerber bzw. Schenker zu erstattenden Anzeigen i. S. d. § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG, nicht jedoch die der in §§ 30 Abs. 3, 33 und 34 ErbStG aufgeführten Stellen. Auf die Anzeigen der letztgenannten Stellen hat der Stpfl. weder Einfluss noch muss er diese Anzeigepflichten kennen, sodass insoweit ein Hinausschieben der Verjährung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht vertretbar ist. Auch eine Berichtigungsanzeige i. S. d. § 153 Abs. 1 AO ist keine Anzeige i. S. d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO und löst daher keine (zusätzliche) Anlaufhemmung aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Steuererklärung derart lückenhaft ist, dass sie praktisch auf die Nichteinreichung der Erklärung hinausläuft.
Rz. 85
Daraus folgt bei gegebener Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG: Wird die Anzeige pflichtgemäß erstattet, beginnt der Anlauf der Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO in dem Jahr, in dem diese bei dem FA eingereicht wird. Mit Rücksicht auf diese Rechtswirkung der Anzeigeerstattung kann es sich empfehlen, hinsichtlich des Nachweises der Anzeigeerstattung entsprechende Beweisvorsorge zu treffen. Eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO scheidet naturgemäß aus, wenn keine Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG besteht. Zu beachten ist, dass der durch das ErbStRG eingefügte § 30 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. ErbStG den Kreis der nicht anzeigepflichtigen Erwerbe entscheidend verringert hat.
Ebenso wird auch durch die nicht gesetzlich geforderte (freiwillige) Anzeigeerstattung keine Anlaufhemmung ausgelöst. In jedem Fall – auch bei freiwilliger Anzeigeerstattung – kann das FA durch eine nachfolgende Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung (§ 31 ErbStG) die Anlaufhemmung herbeiführen. Der Stpfl. kann den Eintritt der Anlaufhemmung jedoch durch freiwillige Abgabe der Steuererklärung verhindern.
Rz. 86
Wird die Anzeige vom Stpfl. pflichtwidrig nicht erstattet und vom FA auch keine Steuererklärung angefordert, ist der Anlauf der Festsetzungsfrist – vorbehaltlich § 170 Abs. 5 AO – nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO längstens für 3 Jahre gehemmt.
Rz. 87
Allerdings kommt es dem anzeigepflichtigen Erwerber zugute, wenn dem FA z. B. aufgrund der von einem Erben abgegebenen Steuererklärung der Name des Erblassers, des anzeigepflichtigen Erwerbers sowie der Rechtsgrund für den Erwerb bekannt wird. Der Sicherungszweck des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO erfordert in diesem Fall kein weiteres Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist, wenn dem FA aufgrund der Angaben der eingereichten Erbschaftsteuererklärung der Name des Erblassers und der des (anzeigepflichtigen) Erwerbers sowie der Rechtsgrund für den Erwerb bekannt werden. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist für den anzeigepflichtigen Erwerber bereits mit Eingang der vom Erben eingereichten Steuererklärung.
Rz. 88
Diese Beurteilung kann jedoch nicht auf den Fall übertragen werden, dass das FA einen Erwerber zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert.