Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 59
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch vorliegen, wenn die Leistung, die zu der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung beim KSt-Subjekt führt, nicht unmittelbar an den Gesellschafter erfolgt, sondern an einen Dritten. Der Vorteil wird dann dem Gesellschafter mittelbar zugewendet. Voraussetzung ist immer, dass der Dritte Nutzen aus der Vermögensverlagerung zieht. Der Gesellschafter selbst braucht dann kein vermögenswertes Interesse an der Zuwendung zu haben. Eine vGA an eine nahestehende Person kann bei allen Gesellschaftern erfolgen. Der Gesellschafter muss nicht beherrschender Gesellschafter sein. Auch in diesen Fällen kann eine verdeckte Gewinnausschüttung aber nur vorliegen, wenn die Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Leistung an den Dritten aus dem eigenen Interesse der Gesellschaft heraus nicht erbracht hätte, sondern dies im Interesse des Gesellschafters tut. In diesem Fall ist die Leistung der Kapitalgesellschaft an den Dritten nur erklärbar, wenn eine Beziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten besteht, sodass es im Interesse des Gesellschafters liegt, den Dritten durch die Leistung der Gesellschaft zu begünstigen. Diese Beziehung macht den Dritten zur "nahestehenden Person". Räumt die Kapitalgesellschaft einer dem Gesellschafter nahestehenden Person einen Vorteil ein, erbringt sie an ihn also eine Leistung, deren Wert höher ist als eine etwaige Gegenleistung der nahestehenden Person, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kapitalgesellschaft dem Gesellschafter durch Vorteilsgewährung an die nahestehende Person einen Vorteil zuwenden wollte. Das gilt allerdings nur, wenn andere Ursachen für die Gewährung des Vorteils an die nahestehende Person durch die Kapitalgesellschaft auszuschließen sind. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann durch die Darlegung erschüttert werden, dass die Vorteilsgewährung ausschließlich unabhängig von dem Gesellschaftsverhältnis erfolgt ist und auf einer davon unabhängigen Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Empfänger der Zuwendung beruht. Das kann etwa der Fall sein, wenn sich die nahestehende Person den Vorteil widerrechtlich und entgegen den Interessen des Gesellschafters verschafft hat, oder wenn die Vorteilsgewährung auf einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen Kapitalgesellschaft und nahestehender Person beruht, für die die gesellschaftsrechtliche Beziehung zu dem Gesellschafter, dem die Person nahe steht, ohne Bedeutung ist.
Hat der Gesellschafter die Leistung der Gesellschaft an die nahestehende Person veranlasst, kann davon ausgegangen werden, dass sie in seinem Interesse erfolgt ist.
Steht der Begünstigte zu mehr als einem Gesellschafter im Verhältnis als nahestehende Person, setzt die Zurechnung einer verdeckte Gewinnausschüttung an einen einzigen Gesellschafter die Feststellung voraus, dass die konkrete Vorteilszuwendung auf einem bestimmten Naheverhältnis beruht, das nur zu diesem einen Gesellschafter besteht. Es muss also festgestellt werden, dass gerade dieser Gesellschafter dem Begünstigten den Vorteil zuwenden wollte.
Erfolgt eine solche Feststellung nicht oder ist sie nicht möglich, ist die Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung an nur einen Gesellschafter rechtsfehlerhaft. Die verdeckte Gewinnausschüttung ist dann anteilig entsprechend der Beteiligungsquote allen Gesellschaftern zuzurechnen, die ein Naheverhältnis zu dem Begünstigten aufweisen.
Rz. 59a
Die Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung besteht, ist auch in diesem Fall aus dem Verhältnis der Kapitalgesellschaft zu dem Gesellschafter abzuleiten. Zwischen der nahestehenden Person, die nicht Gesellschafter ist, und der Kapitalgesellschaft kann unabhängig von der Beziehung der Kapitalgesellschaft zu dem Gesellschafter keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung bestehen. Ebenso wie im Verhältnis der Kapitalgesellschaft zum Gesellschafter ist der Begriff der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auch bei der Vorteilsgewährung an eine nahestehende Person für die Ebene der Kapitalgesellschaft und die des Begünstigten einheitlich zu beurteilen. Daher ist es ausgeschlossen, dass auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, auf der Ebene des Gesellschafters/der nahestehenden Person aber nicht.
Rz. 59b
Erfolgt die Zuwendung an den Dritten, ist es daher nicht zwingend notwendig, dass der Gesellschafter selbst einen unmittelbaren oder mittelbaren Vermögensvorteil erzielt, etwa indem er von einer Verbindlichkeit befreit wird oder eigene Aufwendungen erspart. Auch Zuwendungen, die ausschließlich für die nahestehende Person vorteilhaft oder sogar für den Gesellschafter schädlich sind, können durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht sein. Es genügt, dass ein Vorteil bei der nahestehenden Person eintritt, der aufgrund des Nähe...