Rz. 29
Die Außergewöhnlichkeit von Aufwendungen ist eine der zentralen Voraussetzungen für den Abzug; sie ergibt sich nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 EStG dann, sofern es sich um "größere" Aufwendungen handelt, die der überwiegenden Mehrzahl der Stpfl. gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands nicht entstehen.
Der Wortlaut der Vorschrift legt einen quantitativen Vergleich nahe. Vergleichstabellen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter Berücksichtigung des Familienstands beinhalten und aus denen ersichtlich wäre, welche Aufwendungen "üblicherweise" getragen werden, sind aber nicht vorhanden. Zwar existiert eine amtliche Einkommensteuerstatistik, aus der die Einkommensverhältnisse und der Familienstand ablesbar sind, dennoch enthält die Sammlung keine Informationen über getragene Aufwendungen verschiedener Gruppen.
Dementsprechend handelt es sich um eine Formel, die durch Denk- und Erfahrungsgrundsätze unter Würdigung der Tatsachen im Einzelfall auszufüllen ist. Zu Recht wird der Wortlaut der Regelung deshalb als missglückt kritisiert. In der Rspr. wird die Frage nach der Außergewöhnlichkeit entstandener Aufwendungen deshalb regelmäßig auf die Differenzierung in übliche und unübliche Aufwendungen reduziert. Konkret wird regelmäßig darauf abgestellt, welche Aufwendungen bereits mit dem Grundfreibetrag abgegolten sind und welche Aufwendungen eines höheren Existenzminimums noch nicht berücksichtigt wurden, jedoch einer Berücksichtigung bedürfen. Insoweit erfolgt regelmäßig eine teleologische Reduktion der Vorschrift unter Heranziehung des gesetzgeberischen Zwecks, die zugleich einem dynamischen Wandel gesellschaftlicher Wertevorstellungen unterliegt.
Rz. 30
Ein Abstellen auf die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen verhindert Auslegungsprobleme dergestalt, dass Fälle im Grenzbereich zwischen gewöhnlich und außergewöhnlich eher selten sein dürften. Einerseits wird der Anwendungsbereich der Vorschrift zwar durch die Erfassung von lediglich außergewöhnlichen Aufwendungen begrenzt, andererseits dürfte dies jedoch nicht im Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Berücksichtigung einer verminderten Leistungsfähigkeit des Stpfl. stehen.
Zunächst ist ein Vergleich der belasteten zur unbelasteten Gruppe vorzunehmen. Ergibt dieser, dass Aufwendungen lediglich von einer Minderheit getragen werden, spricht dies für die Außergewöhnlichkeit. Darüber hinaus muss ein existenzieller Bereich des Stpfl. betroffen sein. Obgleich die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen als zusätzliches Korrektiv einer zu umfangreichen Anwendung der Vorschrift entgegensteht, ist die Auslegung der Vorschrift insoweit durch den Zweck begrenzt. Deshalb kann ein "vergleichsweise teures Hobby" eines Stpfl. nicht zu außergewöhnlichen Belastungen führen. Die Vorschrift knüpft an dem nicht disponiblen Einkommen des Stpfl. an. Zudem erfolgt eine derartige Begrenzung der Auslegung bereits durch den Charakter als Tarifvorschrift in Form der Erweiterung des Grundfreibetrags. Folglich ist der Ansicht zuzustimmen, dass eine Betrachtung des Ereignisses erfolgen muss, das die Aufwendungen verursacht hat, und ein Vergleichsmaßstab über eine Periode hinausgeht. Großkatastrophen, die eine Vielzahl von Stpfl. betreffen, fallen entsprechend unter den Tatbestand der Außergewöhnlichkeit, da der Grundfreibetrag insoweit einer Erhöhung bedarf.
In 2 Urteilen hat die FG-Rspr. die Vergütung eines Insolvenzverwalters bei unternehmerischen Einkünften mangels Außergewöhnlichkeit nicht als außergewöhnliche Belastung angesehen. Aufgrund der hohen Zahl der Insolvenzen sowie dem Umstand, dass bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens auch eine entsprechende Verwaltervergütung anfällt, verbietet sich entsprechend die Berücksichtigung derartiger Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Hierdurch ist die Frage nach dem Verschulden der Insolvenz durch den Unternehmer unerheblich (zur Verbraucherinsolvenz Rz. 34).