Rz. 43
Der generellen Anerkennung einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Stpfl. durch die außergewöhnliche Belastung steht es nicht entgegen, dass er zugleich einen zumutbaren Teil der Belastung selbst zu tragen hat. Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich und dient zugleich als Absicherung gegen die übermäßige Arbeitsbelastung der Fiskalverwaltung. Eine solche würde eintreten, wenn auch für Fälle mit verhältnismäßig geringen Beträgen in einer Masse über die Abziehbarkeit entschieden werden müsste. Dies gilt auch für Krankheitskosten. Zwar müssen diese verfassungsgemäß als Bestandteil des Existenzminimums steuerfrei gestellt werden, dies gilt indessen nur für Zahlungen, die Bestandteil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus sind. Zahlungen, die auch von Sozialhilfeempfängern geleistet werden müssen, fallen mithin nicht unter das Freistellungsgebot. Diesbezügliche Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
Allgemeinverfügung zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen
Am 7.4.2022 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Festsetzungen der ESt werden hiermit zurückgewiesen, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, der Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung verstoße gegen das GG. Entsprechendes gilt für am 7.4.2022 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer ESt-Festsetzung.
Rz. 44
Die zumutbare Belastung ist von dem Gesamtbetrag der Einkünfte gem. § 2 Abs. 3 EStG nach Berücksichtigung von Sonderausgaben abzuziehen. Die in § 33 Abs. 3 EStG genannten Prozentsätze sind – in Abhängigkeit der Einkommenshöhe sowie der Anzahl der eigenen Kinder – auf den Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden. Dabei erfolgt keine isolierte Anwendung des jeweiligen Prozentsatzes, vielmehr ist der jeweils in § 33 Abs. 3 EStG genannte Prozentsatz auf den Betrag des Gesamtbetrags der Einkünfte anzuwenden, für den dieser gilt (sog. Stufenkonzept). Dies bedeutet, dass z. B. bei Stpfl. mit einem oder zwei Kindern bis 15.340 EUR 2 % (maximal 306,80 EUR), von 15.341 bis 51.130 EUR 3 % (maximal 1.073,70 EUR) und Einkünften darüber hinaus mit 4 % als zumutbare Belastung zu berücksichtigen sind.
Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist weder um steuerfreie Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, noch durch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, zu erhöhen. Es ergibt sich ein absoluter Betrag, um welchen die insgesamt im Vz entstandenen außergewöhnlichen Belastungen zu kürzen sind. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die zumutbare Belastung bei getrennter Veranlagung von Ehegatten vom Gesamtbetrag der Einkünfte beider Ehegatten berechnet wird.
Die Beschränkung der Absetzung beihilfefähiger Aufwendungen bei Krankheit, die nicht durch das sozialhilferechtliche Versorgungsniveau abgedeckt sind, auf den Betrag, der die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 1 EStG) übersteigt, benachteiligt die übrigen Stpfl. gegenüber öffentlichen Dienstnehmern nicht in verfassungswidriger Weise.