Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 424
§ 4 Abs. 1 S. 7 Halbs. 2 EStG, eingefügt durch Gesetz v.7.12.2006 regelt die steuerlichen Folgen der Steuerverstrickung, die eintritt, wenn ein bisher aus dem deutschen Besteuerungsrecht ausgeschlossenes Wirtschaftsgut in die deutsche Steuerhoheit gelangt, sodass Deutschland das Besteuerungsrecht bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts erwirbt.
Die Regelung gilt sowohl im Verhältnis zu EU-Staaten als auch zu Drittstaaten.
Rz. 425
Tatbestandsvoraussetzung ist, dass Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts erwirbt.
Voraussetzung ist daher, dass Deutschland dieses Besteuerungsrecht vor der fraglichen Maßnahme nicht hatte, sondern erst erwirbt. Für die Anwendung der Vorschrift genügt es nicht, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nur ausgedehnt wird, weil eine bestehende Beschränkung entfällt; insoweit ist die Regelung enger als § 4 Abs. 1 S. 3 EStG für die Entstrickung.
Wie bei der Entstrickung (vgl. Rz. 352ff.) kommt es nicht darauf an, durch welche Maßnahme das deutsche Besteuerungsrecht begründet wird. Es kann sich um eine willentliche Handlung des Steuerpflichtigen handeln (Überführung eines Wirtschaftsguts vom Ausland in das Inland) oder um eine Maßnahme, die ohne Willen des Steuerpflichtigen eintritt (Außerkrafttreten eines DBA). Eine "Verstrickungshandlung" oder ein "Verstrickungswille" ist nicht erforderlich.
Rz. 426
Es kann sich um folgende Fälle handeln:
- Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in das inländische Stammhaus;
- Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem ausländischen Stammhaus oder einer anderen ausländischen Betriebsstätte in die inländische Betriebsstätte;
- bei einem inländischen Stammhaus Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in eine ausländische Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode;
- Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode oder Übergang von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode durch Änderung des DBA.
Rz. 427
Rechtsfolge des Eintritts der Steuerverstrickung durch Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik ist, dass der Eintritt in das deutsche Besteuerungsrecht als Einlage behandelt wird. Diese fiktive Einlage ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG mit dem gemeinen Wert zu bewerten, also einschließlich eines Gewinnaufschlags. Kraft dieser ausdrücklichen Regelung gilt die sonst übliche Grenze, dass höchstens die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind, nicht. Durch den Ansatz des gemeinen Werts kann der Bilanzansatz über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinausgehen.
Konsequenterweise muss der Vorgang in der ausländischen Betriebsstätte als Entnahme gewertet werden. Dies kann von Bedeutung für die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei dem inländischen Gesellschafter sein.
Durch die Bewertung mit dem gemeinen Wert erhöht sich das im Inland anzusetzende Abschreibungsvolumen. Bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts entsteht ein niedrigerer Veräußerungsgewinn.
Diese Rechtsfolgen wirken nach § 7 Abs. 1 GewStG auch für die GewSt.
Es handelt sich um eine steuerrechtliche Regelung; handelsrechtlich tritt kein Ansatz des gemeinen Werts ein. Insbesondere ist handelsrechtlich keine Rechtsgrundlage vorhanden, die das Überschreiten der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ermöglichen würde. Es liegt somit eine Ausnahme vom Maßgeblichkeitsgrundsatz vor; der steuerrechtliche Bilanzansatz weicht von dem handelsrechtlichen Bilanzansatz ab.
Rz. 428
Nicht nach § 4 Abs. 1 S. 7 Halbs. 2 EStG als Einlage zu behandeln ist der Fall, dass ein Wirtschaftsgut aus einer ausländischen Betriebsstätte, für die die Anrechnungsmethode gilt, in das inländische Stammhaus überführt wird. In diesem Fall wird lediglich ein durch die Anrechnungsmethode eingeschränktes Besteuerungsrecht in ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht umgewandelt; es wird aber kein Besteuerungsrecht neu begründet. Das Gesetz fingiert als Einlage, anders als bei der Fiktion der Entnahme bei der Entstrickung, nur die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts, nicht dessen Ausweitung. In diesem Fall ist die Überführung mit dem Buchwert anzusetzen, nicht mit dem Einlagewert. Das Gesetz ist insoweit zulasten des Steuerpflichtigen inkonsequent, da die Beschränkung des Besteuerungsrechts durch die Anrechnungsmethode zwar als gewinnrealisierende Entnahme gilt, der gegenläufige Sachverhalt aber nicht zu einer Steuerentlastung führt.
Rz. 429
Ebenfalls nicht anzuwenden ist die Regelung über die Verstrickung bei der Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Nutzungen eines Wirtschaftsguts. Das Gesetz spricht in § 4 Abs. 1 S. 7 Halbs. 2 EStG ausdrücklich nur von der Begründung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Veräußerung des Wirtschaftsguts, nicht wie bei der Entstrickung, auch von der Nutzung (vgl. Rz. 388). Auch dies führt zu einer systematischen Inkonsequenz der Regelung zulasten des Steuerpflichtigen. Bei der Ü...