Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe, Prof. Dr. Axel Mutscher
Rz. 198
§ 6 Abs. 1 EStG enthält keine eigene steuerrechtliche Definition des Herstellungskostenbegriffs. Die Vorschrift beschreibt auch nicht die Bestandteile der Herstellungskosten. Für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist daher nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG). auf die handelsrechtliche Definition der Herstellungskosten zurückzugreifen, die sich in § 255 Abs. 2 HGB findet.
Rz. 199
Der Herstellungskostenbegriff dient dazu, den Herstellungsvorgang bei der Gewinnermittlung erfolgsneutral abzubilden. Die Herstellung soll weder zu einer Vermögensmehrung noch zu einer Verminderung führen. Dies entspricht dem Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Maßgeblich für die Zuordnung von Aufwendungen zu den Herstellungskosten ist die Zweckrichtung der Aufwendungen als finales Element.
Rz. 200
Dem Zweck, den Herstellungsvorgang erfolgsneutral zu halten, entspricht es, sämtliche durch die Herstellung veranlassten Aufwendungen zu aktivieren (Vollkostenbewertung). Der Gesetzgeber hat mit § 255 Abs. 2 S. 2 und 3 HGB i. d. F. des BilMoG den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff an den steuerrechtlichen angeglichen. Der handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff umfasst die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Ein handelsrechtliches Wahlrecht besteht nur noch bei der Einbeziehung angemessener Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessener Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung. Nicht einbezogen werden dürfen Kosten der Forschung und des Vertriebs. Damit ist die Bemessung der Herstellungskosten nach HGB an die IAS 2 angeglichen worden.
Rz. 201
Nach Auffassung der Finanzverwaltung waren seit BilMoG auch die angemessenen Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung in die Herstellungskosten einzubeziehen. Das (handelsrechtliche) Wahlrecht sollte nicht mehr bestehen. Begründet wurde dies mit dem Bewertungsvorbehalt gem. § 5 Abs. 6 EStG.
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016 wurde mit § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG das bisher geltende steuerrechtliche Aktivierungsgebot für die Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung dem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht angeglichen.
Rz. 202 einstweilen frei
Rz. 203
Der steuerrechtliche Begriff der Herstellungskosten gilt einheitlich für Zwecke der betrieblichen Gewinnermittlung ebenso wie für die Überschusseinkünfte. Er ist auch heranzuziehen für die Bemessung der Höhe von Rückstellungen für Verbindlichkeiten, die auf eine Sach-, Dienst- oder Werkleistung gerichtet sind (Sachleistungsrückstellungen). Auch hier sind die Vollkosten (Einzel- und angemessene Teile der notwendigen Gemeinkosten) anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b) EStG).
Rz. 204
Für die Beurteilung von Aufwendungen als Herstellungskosten kommt es nicht darauf an, ob diese sich werterhöhend auswirken. Dennoch bedarf dieser Satz der Einschränkung, um Überbewertungen infolge nicht werthaltiger Aufwendungen zu vermeiden. Daher hat der BFH in der vorstehenden Entscheidung von der Aktivierbarkeit solche Herstellungskosten ausgeschlossen, denen keine Gegenleistung gegenübersteht. Außerdem hat er hiervon Mehrkosten infolge Unterbeschäftigung ausgenommen.