rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung bei Vollstreckungsmaßnahmen der örtlich unzuständigen Behörde

 

Leitsatz (redaktionell)

Steht nicht fest, ob die handelnde Behörde für die Vollstreckungsmaßnahmen örtlich und sachlich zuständig ist, ist die Vornahme von künftigen Vollstreckungsmaßnahmen unbillig, so dass eine einstweilige Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung geboten ist.

 

Normenkette

FGO § 38 Abs. 2a S. 1, § 114 Abs. 1 S. 1; AO § 258

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die von der Antragsgegnerin betriebene Vollstreckung des Rückforderungsbescheids der Familienkasse Hessen vorläufig einzustellen.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Mit Bescheid der Familienkasse Hessen vom 23.01.2019 wurde die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Antragstellerin für ihre am 18.03.1995 geborene Tochter A ab Oktober 2017 aufgehoben und Kindergeld für den Zeitraum von Oktober 2017 bis Juli 2018 in Höhe von 1.934 € zurückgefordert.

Mit Schreiben vom 31.01.2019 beantragte die Antragstellerin bei der Familienkasse Hessen den Erlass der Rückforderung im Billigkeitswege. Dieses Schreiben legte die Familienkasse Hessen zugleich als Einspruch gegen den Bescheid vom 23.01.2019 aus. Über diesen Einspruch ist bislang nicht entschieden. Den Erlassantrag lehnte die Familienkasse Hessen mit Bescheid vom 28.02.2019 ab. Über einen dagegen eingelegten Einspruch ist ebenfalls noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 04.03.2019 mahnte die Bundesagentur für Arbeit Agentur für Arbeit Inkasso-Service Familienkasse (im Folgenden: Antragsgegnerin) den streitgegenständlichen Betrag nebst Säumniszuschlägen bei der Antragstellerin an, woraufhin der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 11.03.2019 die Antragsgegnerin aufforderte, von jedweden Vollstreckungsmaßnahmen Abstand zu nehmen. Er fordere dazu gerade die Antragsgegnerin auf, da diese gegenüber der Antragstellerin auftreten würde. Von Verweisungen an die den Rückforderungsbescheid erlassende Behörde bitte er daher abzusehen. Die Antragstellerin befinde sich im Leistungsbezug und sei, was amtsbekannt sei, nicht leistungsfähig.

Die Antragsgegnerin wertete dieses Schreiben als Stundungsantrag, den sie mit Bescheid vom 01.04.2019 ablehnte, da die Antragstellerin nicht nur vorübergehend in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gemindert sei. Vielmehr sei sie gehalten, Vollstreckungsmaßnahmen über das Hauptzollamt einzuleiten.

Mit ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung begehrt die Antragstellerin nun alle Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin vorläufig einzustellen.

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass ihre Aufforderung, die Antragsgegnerin möge die Vollstreckung auszusetzen, von dieser als Antrag auf Stundung missdeutet worden sei. Die Antragsgegnerin habe zudem angekündigt, die Vollstreckung weiter zu betreiben. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Familienkasse Hessen sei offensichtlich rechtwidrig; denn ihre Tochter sei nicht arbeits-, sondern ausbildungssuchend. Der Status habe sich von September 2018 auf Oktober 2018 nicht geändert.

Zudem läge recht offensichtlich ein Fall des Billigkeitserlasses vor. Das Kindergeld würde bereits seit Jahren an das Kind direkt ausgezahlt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihrer Melde- oder Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine Beitreibung des Betrags wäre damit unbillig.

Die Antragsgegnerin hat sich bislang dahingehend geäußert, dass ihr eine Entscheidung über Einwände gegen die zugrundeliegende Kindergeldrückforderung nicht möglich sei. Ob die Vollstreckung ausgesetzt werden könne, entscheide die Familienkasse Hessen. Ohne entsprechende Mitteilung der Familienkasse werde das Einziehungsverfahren unverändert weitergeführt.

Dem Gericht haben die den Streitfall betreffenden Kindergeldakten und Vollstreckungsakten vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist begründet.

Das Gericht ist gemäß § 38 Abs. 2a Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) örtlich zuständig. In Angelegenheiten des Familienleistungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist das Finanzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zu den Angelegenheiten des Familienleistungsausgleichs gehört auch das Vollstreckungsverfahren nach den §§ 249 ff. Abgabenordnung (AO). Die Vorschrift des § 38 Abs. 2a Satz 1 FGO gilt entsprechend für ein Verfahren nach § 114 FGO. Vorliegend hat die Antragstellerin ihren Wohnsitz in Hessen, sodass das Hessischen Finanzgericht für dieses Verfahren örtlich zuständig ist.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rec...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Kanzlei-Edition enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge