Entscheidungsstichwort (Thema)
Das Kindergeld für ein behindertes (volljähriges) Heimkind steht den Eltern – nicht dem Träger der Eingliederungshilfe – zu, wenn sie Unterhalt zumindest in derselben Höhe leisten
Leitsatz (redaktionell)
- Die Familienkasse entscheidet über die Auszahlung von Kindergeld nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob bestimmte Voraussetzungen bei einer Person oder Stelle, die dem Kind Unterhalt gewähren, vorliegen.
- Kommen die Eltern ihrer Unterhaltspflicht, wenn auch nur in begrenztem Umfang, nach, so ist es ermessensfehlerfrei, das Kindergeld nicht an den Eingliederungshilfeträger abzugeben, bei dem das Kind stationär untergebracht ist.
- Erreichen die Unterhaltszahlungen der Eltern einschließlich der Sachleistungen mindestens die Höhe des Kindergeldes, ist das Ermessen der Kindergeldkasse eingeschränkt; in diesem Fall darf das Kindergeld nicht an den Eingliederungshilfeträger (Sozialhilfeträger) ausgezahlt werden.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 1 S. 4; BGB § 1610 Abs. 2, § 1612
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, wem das Kindergeld für das Kind J. zusteht.
Der Beigeladene ist der Vater des im Jahre 1963 geborenen Kindes J. Das Kind ist aufgrund seiner Behinderung vollstationär in einem Heim untergebracht. Der Kläger erbringt als Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz – BSHG – (jetzt SGB XII). Mit Antrag von 23.10.2000 beantragte der Kläger eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 Einkommensteuergesetz – EStG – unter Hinweis auf die von ihm geleistete Eingliederungshilfe. Hiermit werde der notwendige Unterhalt des vollstationär untergebrachten Kindes sichergestellt, so dass eine Abzweigung geboten sei. Mit Bescheid vom 05.12.2000 zweigte die Beklagte das Kindergeld ab November 2000 an den Kläger mit der Begründung ab, dass der Beigeladene seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind J. nicht beziehungsweise nicht in vollem Umfang nachkomme. Hiergegen legte der Beigeladene Einspruch ein. Er vertrat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes die Auffassung, dass auch Eltern, deren Kinder vollstationär untergebracht seien, Anspruch auf Kindergeld hätten, da sie regelmäßig auch in diesen Fällen erhebliche Unterhaltsleistungen erbringen müssten. So verbringe J. insbesondere 53 Ferientage pro Kalenderjahr bei seinen Eltern. Auch werde ständig ein Zimmer für ihn frei gehalten. Bei den Besuchen fielen erhöhte Verpflegungs- und Wohnnebenkosten an. Auch verbringe der Beigeladene regelmäßig Urlaube mit seinem Sohn, wofür jährlich circa 3.000,-- DM anfielen. Schließlich würden auch zum Teil Krankheitskosten übernommen, die der Sozialleistungsträger nicht übernehme, weiterhin würden Kleidungsstücke und Schuhe angeschafft. Der Beigeladene komme somit seiner Unterhaltsverpflichtung nach.
Mit Bescheid vom 09.07.2001 folgte der Beklagte dieser Argumentation und hob den Abzweigungsbescheid vom 05.12.2000 auf. Diesen Bescheid übersandte er dem Kläger mit Bescheid vom gleichen Tage zur Kenntnis und forderte zugleich die Rückerstattung des im Zeitraum von November 2000 bis Juni 2001 an diesen abgezweigten Kindergeldes in Höhe von insgesamt 2.160,-- DM. Hiergegen sowie gegen die Einstellung der Abzweigung ab Juli 2001 legte der Kläger Einspruch im Wesentlichen mit der Begründung ein, mit der auch der Abzweigungsantrag begründet wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.10.2001 wurde der Einspruch teilweise als unzulässig verworfen, teilweise als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Auch im gerichtlichen Verfahren vertritt er die Auffassung, dass die lediglich geringfügige Erbringung von Betreuungsleistungen durch die Eltern die Unterhaltspflicht nicht erfülle. Der notwendige Unterhalt werde vielmehr durch die von ihm erbrachte Eingliederungshilfe geleistet. Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens änderte die Beklagte den aufhebenden Abzweigungsbescheid vom 05.12.2000 sinngemäß dahingehend, dass für den Zeitraum von November 2000 bis Juli 2001 auf eine Rückerstattung des abgezweigten Kindergeldes aus Vertrauensschutzgründen verzichtet werde. (Bescheid vom 16.05.2002).
Der Streit geht vorliegend somit noch darum, ob die abgelehnte Abzweigung des Kindergeldes an den Kläger ab August 2001 rechtmäßig ist.
Das erkennende Gericht hatte im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Verfahren VIII R 58/03, VIII R 30/04 und III R 65/04 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Ergehen der Entscheidungen des BFH haben sich die Beteiligten wie folgt eingelassen:
Der Kläger hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass eine Abzweigung an ihn hätte erfolgen müssen. Zwar werde der Beigeladene zu einem Kostenbeitrag von monatlich 46,-- € (bis zum 31.12.2004 monatlich 26,-- €) herangezogen, den er auch leiste. Die Vorschrift des § 74 EStG - so der Kläger - knüpfe jedoch hinsichtlich der gesetzlichen ...