Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergessene Afa in der Einkommensteuererklärung als offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Eine vergessene Eintragung in der Steuererklärung, die aus den bei der Veranlagung vorliegenden Unterlagen ohne Weiteres als Fehler ergibt, ist als vom Finanzamt übernommenes mechanisches Versehen anzusehen.
- Bei Durchführung eines maschinellen Abgleichs hinterlegter festsetzungsnaher Daten mit den eingegebenen Veranlagungsdaten, gelten die elektronisch hinterlegten festsetzungsnahen Daten als bei der Veranlagung hinzugezogen.
- Soweit keine festsetzungsnahen Daten zu der Steuersache hinterlegt wurden, so dass diese erst neu erstellt oder von der bisherigen Steuernummer übernommen werden müssen, schließt der dazu notwendige Ermittlungsaufwand eine offenbare Unrichtigkeit aus.
Normenkette
AO §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2, § 173a; EStG § 7 Abs. 4, § 21 Abs. 1
Streitjahr(e)
2015
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Streitig ist insbesondere, ob die Nichtberücksichtigung der AfA eine offenbare Unrichtigkeit darstellt, die eine Berichtigung nach § 129 AO zulässt.
Die Klägerin ist verheiratet. Für das Streitjahr 2015 wurde eine Einzelveranlagung durchgeführt, nachdem die Klägerin für 2014 zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt worden war. Wie in den Vorjahren erzielte die Klägerin im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück A. Bei Fertigung der Einkommensteuererklärung 2015 für die Klägerin wurde es durch Unachtsamkeit versäumt, in der Anlage V zu oben genanntem Grundstück bei den Werbungskosten die AfA-Beträge i.H.v. … € zu erklären. Bereits am 29.4.2004 hatte der Beklagte für das Grundstück eine bis zum Jahr 2036 reichende AfA Tabelle über die jährlich anzusetzenden AfA-Beträge i.H.v. … € erstellt und diese in seinem EDV-System hinterlegt und der Steuernummer: 123 der im Jahr 2014 zusammenveranlagten Eheleute als „festsetzungsnahe Daten” zugeordnet. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigte der Beklagte die nicht erklärten AfA-Beträge nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und erließ am 28.4.2016 einen entsprechenden Steuerbescheid für 2015. Einen Prüfhinweis im Rahmen der Veranlagung …, der lautete: „Unter dem EW-Aktenzeichen … werden erstmals Einkünfte erklärt. Bitte die Angaben zu diesem Objekt vollumfänglich prüfen und die festsetzungsnahen Daten anlegen. …” ließ der Bearbeiter unberücksichtigt. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem die Klägerin bemerkt hatte, dass die AfA für das Grundstück A unberücksichtigt geblieben war, beantragte sie Änderung des Einkommensteuerbescheides. Den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2015 wies der Beklagte durch Bescheid vom 12.4.2018 zurück. Dabei verwies er auf die Bestandskraft des Steuerbescheides und führte aus, dass weder eine
Berichtigung nach § 129 AO noch nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht komme. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheide trotz der fehlerhaften Auswertung des Bearbeitungshinweises aus, da ein Ermittlungsfehler vorliege, der nicht nach § 129 AO beseitigt werden könne. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitere daran, dass die steuerlich relevante Tatsache, dass für das Grundstück AfA zu berücksichtigen ist, dem Finanzamt bereits bekannt war. Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch, den das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 16.8.2018 zurückwies. Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO lägen vor. Zwar beziehe sich die Norm nach ihrem Wortlaut nur auf die Korrektur eines Versehens des Finanzamts; sie finde jedoch auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben der Steuerpflichtigen für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar gewesen sei und das Finanzamt damit eine offenbare Unrichtigkeit der Steuererklärung als eigene übernommen habe. Dies sei hier der Fall, da der Beklagte eine bis zum Jahr 2036 reichende Tabelle über die jährlich anzusetzenden AfA-Beträge erstellt und diese in seinem System hinterlegt habe. Da für das Objekt Mieteinnahmen und die übrigen Werbungskosten erklärt worden seien und der Beklagte davon ausgehen durfte, dass die Kläger kein Geschenk an den Fiskus beabsichtigt hätten, sei erkennbar gewesen, dass es sich um einen reinen Übertragungsfehler bei Übernahme der Daten aus dem Vorjahr gehandelt habe. Der zuständige Sachbearbeiter habe diesen Fehler trotz hinterlegter Daten und Hinweises des Systems ohne entsprechende Nachfrage in den Steuerbescheid übernommen, so dass die Unrichtigkeit dem Beklagten als eigene zuzurechnen sei. Die Nichtberücksichtigung der in den festsetzungsnahen Daten hinterlegten Inform...