0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 172 ist am 1.1.1992 in Kraft getreten. Abs. 1 Satz 2 wurde durch das SGB VI-ÄndG v. 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824) eingefügt, Abs. 2 Satz 1 redaktionell geändert. Entscheidend geändert wurde § 172 durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse v. 24.3.1999 (BGBl. I S. 388). In Abs. 1 wurden nach dem Wort "auf" die Wörter "versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte und" eingefügt und Satz 3 wurde gestrichen. Nach Abs. 2 wurden die Abs. 3 und 4 eingefügt. Durch Art. 4 Nr. 12 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2002 (BGBl. I S. 4621) wurde Abs. 3a angefügt und in Abs. 4 die Angabe "Abs. 4" durch die Angabe "Abs. 2 und 4" ersetzt. Art. 1 Nr. 28 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1791) hat Abs. 3 Satz 2 neu gefasst. Mit Art. 11 Nr. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 v. 29.6.2006 (BGBl. I S. 1385, 1405) wurde mit Wirkung zum 1.7.2006 der Pauschalbeitragssatz des Arbeitgebers nach Abs. 3 von 12 % auf 15 % erhöht.
Als Folgeänderung zur stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze (§§ 35, 235) wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 Abs. 1 Nr. 3 auf die neue Regelaltersgrenze umgestellt durch Art. 46 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) v. 20.4.2007 (BGBl. I S. 554). Abs. 2 wurde durch Art. 4 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 22.11.2011 (BGBl. I S. 3057) mit Wirkung zum 1.1.2012 aufgehoben (vgl. jetzt § 172 a). Art. 4 Nr. 18 des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigungen v. 5.12.2012 (BGBl. I S. 2474) brachte mit Wirkung zum 1.1.2013 als Folgeänderungen zum Konzeptwechsel im Bereich der geringfügig entlohnten Beschäftigungen von der Versicherungsfreiheit zur Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 6 Abs. 1b) in Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3a nach dem Wort "Beschäftigung" die Ersetzung der Wörter "versicherungsfrei oder" durch "nach § 6 Abs. 1b oder nach anderen Vorschriften". Zum 1.1.2017 wurde Abs. 1 Satz 1 durch Art. 1 des Flexirentengesetzes v. 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeberbeitrag für Beschäftigte, die versicherungsfrei sind, wegen des Bezugs einer Vollrente wegen Alters, erst nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, zu zahlen ist.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift bestimmt für die in ihr genannten versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Beschäftigten den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung. Durch die Auferlegung eines Beitragsanteils für versicherungsfreie bzw. von der Versicherungspflicht befreite Beschäftigte sollen Wettbewerbsvorteile dieser Personen gegenüber den Konkurrenten, die versicherungspflichtig tätig werden, verhindert werden. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Tragung von Beiträgen für versicherungsfreie Beschäftigte verstößt im Grundsatz nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfG, Urteil v. 16.10.1962, 2 BvL 27/60; BVerfG, Beschluss v. 21.7.1980, 1 BvR 469/79; BVerfG, Urteil v. 20.9.1999, 1 BvR 1750/95; BSG, Urteil v. 5.3.1965, 11/1 RA 239/61; vgl. unten Rz. 4, 7, 11).
2 Rechtspraxis
2.1 Allgemeines zum Beitragsanteil des Arbeitgebers bei versicherungsfrei Beschäftigten nach Abs. 1 und (bis 31.12.2011) Abs. 2
Rz. 3
Parallelvorschrift für die Arbeitslosenversicherung ist § 346 Abs. 3 Satz 1 SGB III.
Vorgängervorschriften waren § 1386 RVO, § 113 AVG und § 130 Abs. 7 RKG.
Für die in § 172 Abs. 1 genannten versicherungsfreien Beschäftigten hat der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zu tragen, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären.
Ausgenommen von dieser Regelung sind die von der Versicherungspflicht befreiten bzw. versicherungsfrei geringfügig Beschäftigten, für die in Abs. 3 eine besondere Regelung getroffen worden ist, und gemäß Abs. 1 Satz 2 die Beschäftigten nach § 1 Satz 1 Nr. 2 (behinderte Menschen). Die Entrichtung eines Arbeitgeberanteils für behinderte Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer anderen in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung beschäftigt sind, entspräche nämlich nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung ist statt der Hälfte des Beitrags der auf den Arbeitgeber entfallende Beitragsanteil zu zahlen. Hierdurch wird dem höheren Beitragssatz in der knappschaftlichen Rentenversicherung Rechnung getragen (vgl. auch § 168 Abs. 3).
Rz. 4
Der vom Arbeitgeber (nach Abs. 1) zu tragende (fiktive) Beitragsanteil führt nicht zu einer Erhöhung der Leistungsansprüche des einzelnen Beschäftigten. Dies entspricht der früheren Regelung des § 112 AVG, die das BVerfG als verfassungsgemäß angesehen hat (vgl. BVerfG, Urteil v. 16.10.1962, 2 BvL 27/60). § 172 Abs. 1 ist verfassungsgemäß (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.5.2003, L 5 KR 147/02; SG Duisburg, Urteil v. 3.6.2005, S 29 RA 77/04; Neidert, in: GK-SGB VI, § 172 Rz. 19). Es handelt sich nach der Rechtsprechung insbesondere trotz...