Verfahrensgang
AG Stolzenau (Beschluss vom 17.08.2009; Aktenzeichen 3 C 221/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin vom 01.09.2009 wird der Beschluss des Amtsgerichts Stolzenau vom 17.08.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten der Beschwerde – an das Amtsgericht Stolzenau zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 300 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin erhob Klage gegen den Beklagten, um feststellen zu lassen, dass die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten, 15 IN 359/06 Amtsgericht Syke, angemeldeten Forderungen in Höhe von 515,83 EUR durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung begründet sind. Aus diesem Rechtsgrund hatte die Klägerin die Forderung auch zur Tabelle angemeldet, der Beklagte hatte jedoch Widerspruch dagegen eingelegt.
Das Amtsgericht wies darauf hin, dass der gewählte Rechtsweg nach seiner Ansicht wohl unzutreffend sei, die Klägerin trat dem entgegen. Das Amtsgericht erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten mit Beschluss vom 17.08.2009 für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hannover.
Der Beschluss wurde der Klägerin am 20.08.2009 zugestellt. Mit Schreiben vom 01.09.2009 – per Fax vorab am selben Tage bei Gericht eingegangen – legte sie hiergegen sofortige Beschwerde ein.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 17a Abs. 4 S. 3 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Sie ist auch begründet und führt zur Zurückweisung an das zuständige Amtsgericht.
Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NJW 1984,1622 ff.; 1978, 2091 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen) die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist der Sachvortrag des Klägers (vgl. BGHZ 72, 56, 57 m.w.N.), da er über den Streitgegenstand bestimmt. Stellt sich der Klageanspruch nach der vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts dar, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, so ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (vgl. BGH a.a.O.).
Der Anspruch auf Feststellung des Rechtsgrundes der in ihrer Höhe unstreitigen Forderung ist nicht etwa, wie das Amtsgericht zu meinen scheint, ein lediglich in das Gewand eines bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruches eingekleideter Anspruch auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, er ist vielmehr seiner Natur nach dem bürgerlichen Recht zugeordnet. Es geht nicht um die Höhe der zu zahlenden Beiträge sondern um die Voraussetzungen, nach denen die Forderung in der Insolvenztabelle als aus dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung begangen festgestellt werden kann. Hierfür ist es auch entscheidend, welche Voraussetzungen § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und §§ 823 BGB i.V.m. § 266a StGB haben und was ihre Rechtsfolgen bzw. ihr Zweck ist. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese nicht deckungsgleich sind (vgl. BGH NJW-RR 2003, 966 – Rn. 10 bei juris.de).
In der Verjährungsvorschrift des § 25 Abs. 1 SGB IV wird zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen der Sozialversicherungsbeiträge nicht unterschieden. Die Frage, ob fällige Beiträge vorsätzlich oder fahrlässig vorenthalten wurden, hat nur Bedeutung für die Dauer der Verjährung, lässt aber im Übrigen die (alleinige) Verpflichtung des Beitragsschuldners unberührt. Die Regelung erfasst darüber hinaus als Annex etwaige Säumniszuschläge und andere Nebenforderungen, die der dreißigjährigen Verjährungsfrist dann unterliegen, wenn die eigentlichen Beitragsansprüche vorsätzlich vorenthalten wurden (vgl. BSGE 70, 261, 264 = SozR 3-2400 § 25 Nr. 4). Demgegenüber handelt es sich bei § 266a Abs. 1 StGB um eine Strafvorschrift, die als Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB auch von haftungsrechtlicher Bedeutung ist. Sie erweitert, sofern es sich bei der Beitragsschuldnerin um eine juristische Person handelt, den Kreis der straf- und haftungsrechtlich verantwortlichen Personen, die in Bezug auf die „primäre” Pflicht zur Beitragsentrichtung nicht persönlich angesprochen sind, beschränkt diese Pflichtenstellung jedoch zugleich auf die Arbeitnehmeranteile. Für das Verständnis und die Auslegung der als Unterlassungsdelikt ausgestalteten Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB ist wesentlich, dass nicht allein auf die verspätete oder ausgebliebene Zahlung der Arbeitnehmeranteile abzustellen ist, sondern dass als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung hinzutreten muss, dass dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar ist. Eine unmögliche Leistung darf dem Verpflichteten nicht abverlangt werden. Unmöglichkeit in diesem Sinn liegt insbesondere dann vor, wenn der Handlungspflichtige zahlungsunfähig i...