Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung
Leitsatz (redaktionell)
Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage vorgelegt, ob - und ggfs. unter welchen Bedingungen - einer Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommt. Im Streitfall war die Steuernummer des Leistenden nachträglich ergänzt worden.
Normenkette
AO § 233a; EUV 282/2011; EUV 282/2011 Art. 168; EUV 282/2011 Art. 178; UStG 2005 § 14 Abs. 4 Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1; FGO § 74
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus berichtigten Rechnungen.
Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Textilien. Mit Prüfungsanordnung vom 21. Januar 2013 fand bei der Klägerin in der Zeit vom 11. Februar 2013 bis zum 17. Mai 2013 eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 statt. Im Rahmen dieser Außenprüfung traf der Beklagte folgende Feststellungen (Tz. 28/29 des BP-Berichts vom 24. Mai 2013):
- „Ein Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften der Klägerin an ihre Handelsvertreter ist nicht möglich, da die Gutschriften keine ordnungsgemäßen Rechnungen im Sinne des § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG darstellen. Die Rechnungen enthalten weder in der Provisionsabrechnung noch in den Anlagen die Steuernummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des jeweiligen Gutschriftempfängers (Handelsvertreters). Es wird auch auf kein anderes Dokument verwiesen, aus dem sich die vorgenannten Angaben entnehmen lassen.
- Gleiches gilt für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Werbegestalters H. Auch aus diesen Beträgen ist kein Vorsteuerabzug zulässig.
- Insgesamt ergeben sich damit folgende Änderungen:
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2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
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Euro |
Euro |
Euro |
Euro |
Wert vor Prüfung |
93.450,94 |
109.457,67 |
140.684,86 |
143.370,90 |
Vorsteuer Handelsvertreter |
-32.111,75 |
-38.996,54 |
-50.326,40 |
-55.840,75 |
Vorsteuer Werbege-stalter H. |
-1.496,54 |
-1.175,72 |
-1.180,47 |
-1.382,25 |
Wert lt. Prüfung |
59.842,65 |
69.285,41 |
89.177,99 |
86.147,90 |
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Die Klägerin berichtigte die Provisionsabrechnungen (Gutschriften) betreffend die Streitjahre 2009 bis 2011 gegenüber ihren Handelsvertretern noch während der Außenprüfung mit Datum vom 02. Mai 2013 dergestalt, dass die jeweilige Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Handelsvertreters in der Rechnung ergänzt wurde. Auch die Rechnungen des Werbegestalters H. für die Jahre 2009 bis 2011 wurden noch während der Außenprüfung unter demselben Datum entsprechend berichtigt.
Ungeachtet dessen kürzte das Finanzamt die Vorsteuern entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung auf die o.g. Beträge mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht in den Streitjahren, sondern erst im Zeitpunkt der durchgeführten Rechnungsberichtigung (2013) vorlägen.
Gegen die aufgrund der Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide 2008 bis 2011 vom 02. Juli 2013 legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2013 Einspruch ein. Erst im Einspruchsverfahren wurde festgestellt, dass für 2008 noch keine Rechnungsberichtigungen erteilt worden waren. Mit Datum vom 11. Februar 2014 berichtigte die Klägerin dann gegenüber ihren Handelsvertretern die Provisionsabrechnungen (Gutschriften) auch für das Streitjahr 2008 dergestalt, dass die Abrechnungen um deren Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ergänzt wurden. Entsprechendes gilt für die das Streitjahr 2008 betreffenden Abrechnungen des Werbegestalters H. Kopien der Rechnungsberichtigungen vom 11. Februar 2014 wurden dem Beklagten noch im Einspruchsverfahren unter dem 24. Februar 2014 übersandt.
Mit Einspruchsbescheid vom 03. März 2014 blieb der Beklagte bei seiner Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug erst mit der Berichtigung der Rechnungen in 2013 bzw. 2014 erfüllt seien. Eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung (ex tunc) sei nicht möglich.
Hiergegen richtet sich die unter dem 05. März 2014 erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass den erfolgten Rechnungsberichtigungen Wirkung für die Vergangenheit (Streitjahre 2008 bis 2011) zukomme, da diese vor der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsbescheid vom 03. März 2014) durchgeführt worden seien.
Für die Streitjahre 2009 bis 2011 seien die Berichtigungen bereits während der Außenprüfung erfolgt. Das Streitjahr 2008 unterscheide sich nur insoweit, als die korrigierten Gutschriften bzw. Rechnungen erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens aber noch vor Ergehen des Einspruchsbescheids und damit rechtzeitig vorgelegt worden seien.
Der EuGH habe erstmals mit Urteil vom 15. Juli 2010 (Rs C-368/09 – Pannon Gép, DStR 2010, 1475) entschieden, dass in gewissen engen Grenzen eine Rechnungsberichtigung ex tunc möglich sei. Mit seiner neueren Entscheidung vom 08. Mai 2013 (Rs C-271/12 – Petroma Transports, BB 2013, 1365, Randnr. 34) habe der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für den Fall zugelassen, dass eine Berichtigung noch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgt se...