Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung – Kein Splitting-Verfahren für Alleinerziehende
Leitsatz (redaktionell)
- Die derzeitige Besteuerung Alleinerziehender nach der Grundtabelle ist nicht verfassungswidrig.
- Dass sowohl Eheleute (mit oder ohne Kinder) als auch Alleinerziehende unter den Begriff „Familie” fallen, führt nicht dazu, dass beide Gruppen trotz bestehender Unterschiede steuerlich gleich behandelt werden müssten.
- Zwischen Alleinerziehenden und Eheleuten (verheiratet oder geschieden mit Realsplitting, mit oder ohne Kindern) bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung – Splitting-Verfahren nur für zusammen zu veranlagende Eheleute, nicht für Alleinerziehende, Real-Splitting für Geschiedene – rechtfertigen können.
- Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es nicht, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen.
- Das Ehegatten-Splitting ist keine beliebig veränderbare Steuer-'Vergünstigung', sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung.
- Das Ehegatten-Splitting gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer ehelichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse.
- Die Höhe der Grund- und Kinderfreibeträge und des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende im Jahr 2008 sind bei summarischer Prüfung nicht evident zu niedrig und daher verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a, §§ 24a, 25-26, 32 Abs. 6, § 32a; FGO § 69; GG Art. 20, 3 Abs. 1, Art. 6
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung, soweit sie nach ihrer Auffassung als Alleinerziehende mit zwei Kindern in verfassungswidriger Weise besteuert wird.
Die Antragstellerin ist Mutter zweier …und …geborener Kinder. Ihr Ehemann und Vater der Kinder verstarb im Jahr …. Seitdem ist die Antragstellerin verwitwet.
Die Antragstellerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus … als … in Höhe von rund € x. Des Weiteren erhielt sie Versorgungsbezüge in Höhe von rund € …. Ihre Kinder erhielten im Streitjahr Renten und Versorgungsbezüge (nach ihren Angaben in Höhe von jährlich € … und € …). In ihrer Gewinnermittlung und ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Antragstellerin keine Kinderbetreuungskosten geltend.
Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom … (gemäß § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung) und in dem (gemäß § 164 Abs. 2 AO geringfügig geänderten) Bescheid vom … setzte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer unter Zugrundelegung der Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. Für die beiden Kinder zog es Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von gesamt € 11.616 ab und rechnete im Gegenzug der Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 4 EStG das Kindergeld in Höhe von € 3.696 hinzu. Ferner zog das FA den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von € 1.308 ab. Es veranlagte die Antragstellerin einzeln zur Einkommensteuer und setzte die Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen von rund € … nach der Grundtabelle mit € … an. Nach Berücksichtigung von Steuerermäßigungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen und Hinzurechnung des Kindergeldes ergaben sich eine festzusetzende Einkommensteuer in Höhe von € … und ein festgesetzter Solidaritätszuschlag in Höhe von € ….
Aufgrund der entsprechend ihren Angaben festgesetzten und von der Antragstellerin geleisteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen ergab sich aus dem Einkommensteuerbescheid vom … eine Einkommensteuer-Nachzahlung in Höhe von € … und aus dem Einkommensteuerbescheid in der Fassung vom … eine weitere Einkommensteuer-Nachzahlung in Höhe von € …, zusammen € …. Die Antragstellerin leistete die Nachzahlungen.
Mit Schreiben vom … legte die Antragstellerin gegen den „ESt-Solz-Bescheid vom …” Einspruch ein. Das FA legte das Schreiben als Einspruch gegen den Bescheid vom … aus. Mit Schreiben vom … begründete die Antragstellerin ihren Einspruch u.a. wie folgt:
Er richte sich gegen die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs. Bei einem kinderlosen Ehepaar, bei dem einer der Ehepartner Einkünfte in der von ihr allein erzielten Höhe (rund € …) und der andere Ehepartner Einkünfte in Höhe von € 0 erzielt hätte, hätten nach den beigefügten Berechnungen die festgesetzte Einkommensteuer € … und der Solidaritätszuschlag € … betragen, mithin gesamt rund € 7…. weniger. Bei einem Ehepaar mit denselben Einkünften mit einem Kind (ebenfalls drei Personen) ergebe sich eine um gesamt rund € 7…. niedrigere Steuer. Das kinderlose Ehepaar habe einen Grenzsteuersatz von rund 3... %, das Ehepaar mit einem Kind von rund 3… %, während sie einen Grenzsteuersatz von rund 4… % habe, mithin auf jeden mehr verdienten Euro…% (incl. Solidaritätszuschl...