Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1996
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen eines Erlasses von Nachzahlungszinsen nach § 227 AO.
- Die Entscheidung des FA über den Erlass von Nachzahlungszinsen ist eine Ermessensentscheidung und unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
- Eine verzögerte Behandlung eines Steuerfalls durch das FA stellt regelmäßig keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar.
- Ein Erlass von Nachzahlungszinsen zur ESt wegen überlanger Verfahrensdauer kommt i.d.R. nicht in Betracht.
Normenkette
AO §§ 233a, 227
Streitjahr(e)
1996
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Zinsen zur Einkommensteuer 1996 in Höhe von 131.436 € aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind.
Die Klägerin ist Witwe und Erbin ihres im Jahr … verstorbenen Ehemannes D. Die Eheleute waren als Kommanditisten u.a. an der C & D GmbH & Co. KG beteiligt. Die Firmengruppe C & D wurde durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ab Dezember 1999 geprüft. Die Betriebsprüfung bei der C & D GmbH & Co. KG dauerte vom 6. Dezember 1999 bis zum 10. November 2008 (BP-Bericht vom 10. Dezember 2008), die Betriebsprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann vom 12. Dezember 2001 bis zum 16. Januar 2009 (BP-Bericht vom 4. Februar 2009). Aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfungen erging am 19. März 2009 ein geänderter Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der C & D GmbH & Co. KG und am 18. Mai 2009 ein geänderter Bescheid zur Einkommensteuer 1996, durch den die Einkommensteuer von bis dahin 0 € auf 450.290,67 € festgesetzt wurde. Durch einen weiteren Änderungsbescheid vom 21. November 2011 wurde die Einkommensteuer 1996 auf 234.394,09 € festgesetzt. Zugleich wurden Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1996 für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis zum 22. Mai 2009 in Höhe von 131.436,00 € festgesetzt.
Am 14. Dezember 2011 beantragte die Klägerin den vollständigen Erlass der festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer 1996. Zur Begründung führte sie an, dass die Festsetzung der Zinsen aufgrund der unverhältnismäßig langen Dauer der Betriebsprüfung sachlich unbillig sei, da sie hieran kein Verschulden treffe. Das Finanzamt lehnte den Erlass mit Bescheid vom 9. Januar 2012 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsbescheid vom 24. Januar 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung war ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen lägen nicht vor. Zweck der Vorschrift des § 233a AO sei es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen aus welchen Gründen auch immer zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Die Verzinsung sei wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamtes oder des Steuerpflichtigen. Auch die verzögerte Bearbeitung eines Steuerfalles durch das Finanzamt stelle daher in der Regel keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar. Die Zinsen nach § 233a AO seien eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, so dass die Ursache für die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer und ein Verschulden - einerlei, wem dies zur Last falle - grundsätzlich irrelevant seien. Wegen des Prinzips der Sollverzinsung sei es auch unerheblich, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich keine Vorteile erlangt habe, weil er z.B. die Nachzahlung unverzinslich auf seinem Girokonto bereit gehalten oder wegen eines niedrigeren Zinsniveaus im Inland geringere Zinsen erzielt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. Februar 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Festsetzung und Erhebung von Nachzahlungszinsen im Anschluss an eine über neun Jahre fortwährende Betriebsprüfung sei nicht mehr verhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft. Insgesamt habe sich der Zeitraum, für den Nachzahlungszinsen festgesetzt worden seien, auf mehr als 11 Jahre erstreckt. Aufgrund der vom Finanzamt verschuldeten, außerordentlich langen Bearbeitungsdauer sei das Finanzamt verpflichtet, von der Möglichkeit, einen Billigkeitserlass auszusprechen, Gebrauch zu machen. Spätestens seit der nochmaligen Versendung von Unterlagen durch den seinerzeitigen Steuerberater B im März 2005 sei von einer Unbilligkeit der Zinsen und von einer Verpflichtung zum Erlass auszugehen. Hinzu komme, dass die Klägerin im Streitfall tatsächlich keinen Liquiditätsvorteil erlangt habe. Eine flexible Geldanlage zu einem Zinssatz von nahezu 12 % sei seinerzeit ausgeschlossen gewesen. Aufgrund des Spitzensteuersatzes und des Solidaritätszuschlages wäre eine Rendite in dieser Größenordnung aber erforderlich gewesen, um tatsächlich einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Die Klägerin habe stets mit einer Zahlungspflicht rechnen müssen und deswegen den Nachzahlungsbetrag nicht für einen längeren Zeitraum anlegen können. Vielmehr sei sie auf flexible und kurzfristige Anlageformen...