Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauabzugssteuer: Betriebsausgabenabzug für Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften trotz fehlender Empfängerbenennung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Anwendung der Vorschrift des § 160 AO scheidet aus, wenn ein Empfänger von Bauleistungen seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 v.H. für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag angemeldet und an das zuständige Finanzamt abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG).
- Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist.
- Eine einschränkende Auslegung gegen den klaren Wortlaut – zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen – kommt nicht in Betracht, da die teilweise in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien widerspiegeln, noch Eingang in den Gesetztext gefunden haben.
- Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung geboten noch bestehen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Hinblick auf einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen.
- Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften ist nur dann unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ”instrumentalisiert“ und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen hat.
Normenkette
AO 1977 §§ 160, 42; EStG § 48 Abs. 1, 4 Nr. 1; GG Art 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob von der Klägerin im Streitjahr 2002 an britische Subunternehmer geleistete Zahlungen zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen sind oder ob unter Anwendung des § 160 der Abgabenordnung (AO) eine Kürzung wegen unterlassener Empfängerbenennung in Höhe von 70 v. H. rechtmäßig ist.
Die Klägerin, die X-GmbH &- Co KG i. L., erzielte aus der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben aller Art Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 des Einkommensteuergesetzes - EStG-). Im Streitjahr 2002 war V.K. alleiniger und ausschließlich am Vermögen der Klägerin beteiligter Kommanditist. Ihm stand eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 60 % zu. Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung, aber mit einer Gewinnbeteiligung in Höhe von 40 %, war im Streitjahr die X Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH, eingetragen im Handelsregister B des Amtsgerichts (AG) … unter HRB … (mittlerweile im Handelsregister gelöscht).
Im April 2007 verstarb der alleinige Kommanditist V.K.. Seine Ehefrau, die Beigeladene A.K. und sein Sohn M.K. traten im Wege der Sondererbfolge jeweils zu ½ in die Kommanditistenstellung ein (Eintragung ins Handelsregister A des AG …, HRA …, am 23. Oktober 2007). Die Beigeladene A.K. schied sodann als Kommanditistin aus und deren Kommanditanteil ging im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf M.K. über (Eintragung ins Handelsregister A des AG …, HRA …, am 23. Oktober 2007), der seitdem alleiniger Kommanditist der Klägerin ist (s. dazu auch den Handelsregisterabdruck des nunmehr zuständigen AG …, HRA …, Stand 16. Mai 2018).
Im Jahr 2011 ist die X Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH aus der Klägerin ausgeschieden und die Y Wohnbaugesellschaft mbH (AG …, HRB …; im Folgenden: Y GmbH) in die Klägerin eingetreten ist (Eintragung ins Handelsregister, HRA …, am 16. November 2011).
Die Klägerin nahm im Streitjahr 2002 umfangreiche Leistungen britischer Subunternehmer für die Realisierung diverser Großobjekte in Anspruch. Ausweislich der Buchführung wurden insoweit für 2002 Zahlungen in einer Gesamthöhe von insgesamt 950.110 € gewinnmindernd als Betriebsausgaben berücksichtigt. Zwischen den Beteiligten sind sowohl die Gesamthöhe der Betriebsausgaben als auch die Umstände unstreitig, dass die britischen Subunternehmer ”Bauleistungen“ im Sinne des § 48 EStG erbrachten, die vorstehenden Aufwendungen als Gegenleistung hierfür geleistet wurden und die Klägerin im Jahr 2003 in gesetzlicher Höhe hierfür Bauabzugssteuer für die britischen Subunternehmer anmeldete und abführte.
Nach den Feststellungen und Auskünften der Informationszentrale Ausland (IZA) des Bundeszentralamtes für Steuern (früher: Bundesamt für Finanzen) handelte es sich bei sämtlichen britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften/Domizilgesellschaften.
In dem zunächst für das Streitjahr 2002 ergangenen und gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 16. November 2004, geändert durch Gewinnfeststellungsbescheid vom 25. November 2004, veranlagte das Finanzamt (FA) H erklärungsgemäß und...