Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung eines tatsächlich erzielten Zinsvorteils steht einer Anwendung des § 233a AO nicht entgegen
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzung der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abs. 1 AO.
- Für die Anwendung des § 233a AO ist es grundsätzlich unbeachtlich, ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind. Daher kommt es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvorteile und Zinsnachteile nicht an. Vielmehr reichen Liquiditätsvorteile des Schuldners der Steuernachforderung aus.
Normenkette
AO § 233a
Streitjahr(e)
1994
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1994 gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO).
Der Kläger war und ist an der Kommanditgesellschaft (KG) MS S. GmbH & Co. KG beteiligt. Im Rahmen einer bei dieser KG durchgeführten Betriebsprüfung wurden Feststellungen getroffen, die zu einer Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1994 führten. Unter Auswertung des geänderten Feststellungsbescheids setzte der Beklagte daraufhin die Einkommensteuer für 1994 mit Bescheid vom 12. März 2007 gegenüber den Klägern nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert fest; dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von 20.954,78 €. Verbunden mit diesem Bescheid setzte der Beklagte mit Bescheid vom selben Tag Zinsen in Höhe von 30.732 € nach § 233a AO fest; zuvor waren 17.010 € festgesetzt.
Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie äußerten die Ansicht, die Zinsfestsetzung sei rechtswidrig. Die geänderte Einkommensteuerfestsetzung beruhe auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, insofern beginne gemäß § 233a Abs. 2a AO der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei, mithin erst am 1. April 2009.
Im Rahmen der Einspruchsbegründung begehrten die Kläger außerdem, die Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen aufzuheben. Aufgrund ihres nicht unerheblichen Kapitalvermögens seien sie seit 1994 jederzeit in der Lage gewesen, die der Zinsfestsetzung zu Grunde liegende Steuernachzahlung sofort zu leisten. Aufgrund der Nichtabforderung der Steuernachzahlung im Veranlagungsjahr sei der entsprechende Kapitalbetrag zinsbringend angelegt worden. Die hieraus erwirtschafteten Einkünfte aus Kapitalvermögen seien in den Jahren seit 1995 gegenüber dem Beklagten erklärt und im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen berücksichtigt und versteuert worden. Insofern sei der vermeintlich nachgehend abzuschöpfende Vermögensvorteil bereits zumindest in Höhe der auf die Kapitalerträge gezahlten Steuern liquidiert und bereits abgeschöpft. Würde die Zinsfestsetzung Bestand haben, bedeute dies im Ergebnis eine doppelte Belastung der Kläger zum Einen durch die bereits erfolgte positive Besteuerung und zum Anderen durch die auf das gleiche Kapital erhobenen Zinsen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 beruhe nicht auf einem rückwirkenden Ereignis. Die Änderung sei somit nicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgt, sondern aufgrund der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach § 182 Abs. 1 AO gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Somit greife die Regelung des § 233a Abs. 2a AO über den späteren Beginn des Zinslaufs nicht Platz.
Billigkeitsmaßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Zinsfestsetzung sei nicht sachlich unbillig, da die Festsetzung von Zinsen auf einen Nachforderungsbetrag, der sich nach der Korrektur einer Steuerfestsetzung ergäbe, den Wertungen des § 233a AO entspreche.
Die Kläger erhoben am 1. Oktober 2007 Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht mit dem Begehren, dass die Zinsfestsetzung in Höhe von 30.732 € aufgehoben wird. Der Zinsbescheid sei rechtswidrig und die Entscheidung über die beantragte Billigkeitsmaßnahme ermessensfehlerhaft. Zur Begründung wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren. Ergänzend führen die Kläger an, die Gesamtbelastung durch die Zinsfestsetzung und Einkommensteuerfestsetzung sei bei dem Steuerpflichtigen höher, der einen Zinsvorteil erziele gegenüber demjenigen, der keinen Zinsvorteil erziele. Die Kläger äußern die Ansicht, dieses Ergebnis fände keine Rechtfertigung in der gesetzlichen Regelung des § 233a AO.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1994 vom 12. März 2007 und den zu diesem ergangenen Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1994 vom 12. März 2007 und den zu diesem ergangenen Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 aus sachlichen Billigkeitserwäg...